65 Jahre Nationale Volksarmee
65 Jahre Nationale Volksarmee
Noch 65 Jahre nach ihrer Gründung und über 30 Jahre nach ihrer faktischen Zerschlagung ist die Nationale Volksarmee für manche Medienvertreter, berufsmäßige „Aufarbeiter“ der DDR-Geschichte und feindbildfixierte Politiker ein unverzichtbares Hassobjekt.
Die Angriffe auf die NVA und ihre ehemaligen Soldaten sowie die Angehörigen der anderen bewaffneten Organe des untergegangenen Staates sind ein immer wieder gern genutztes Mittel zur Diskreditierung der DDR. Ziel ist die politisch korrekte Umerziehung der ostdeutschen Bevölkerung. Positive Erinnerungen an die DDR sollen ausgelöscht und individuelle Biografien entwertet werden. „Gestattet ist der Blick zurück im Zorn, allein der...“, wie es die ostdeutsche Journalistin Jutta Voigt 1993 ausdrückte./1/
Die Bemühungen zur Erzeugung eines politisch erwünschten DDR-Bildes dauern mittlerweile seit 30 Jahren an. In dem Maße, wie die an neoliberalen Glaubenslehren orientierte bundesdeutsche Wirtschaftspolitik verheerende sozialpolitische Kollateralschäden produzierte, nahmen die Aktivitäten der etablierten Aufarbeitungsindustrie zur De-Legitimierung der DDR und ihrer Streitkräfte zu. Wenn man schon die Existenz dieser Armee nicht vergessen machen kann, so soll sie doch in erster Linie als Streitmacht eines „Unrechtsstaates“, als machtpolitische Stütze der „SED-Diktatur“ wahrgenommen werden.
Dabei wird der historische Kontext des Kalten Krieges gerne ausgeblendet. Als in der Sowjetischen Besatzungszone im Herbst 1948 auf Weisung der sowjetischen Militäradministration mit dem Aufbau kasernierter Polizeieinheiten begonnen wurde, der im April 1952 in die offizielle Gründung der Kasernierten Volkspolizei (KVP) als Vorläufer der Nationalen Volksarmee mündete, waren in Westdeutschland ehemalige Offiziere der Wehrmacht bereits seit einiger Zeit damit beschäftigt gewesen, Pläne und Strukturen für die Aufstellung von Streitkräften zu entwickeln.
Die Militärhistoriker Keßelring und Loch beschreiben den verdeckt betriebenen Prozess der Remilitarisierung in Westdeutschland im Detail: „An die Organisation Gehlen angebundene deutsche Generale und Generalstabsoffiziere schufen zunächst eigeninitiativ und seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 im Auftrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und seinem Schattenverteidigungsminister Eberhard Wildermuth (FDP) ein verteidigungspolitisches Konzept. Dieses Wirken der deutschen Offiziere war abgestimmt und durch die USA im Dialog mit dem offiziellen Bonn – einschließlich der Oppositionsführerin SPD – gefordert und gefördert....Bereits vor Gründung des dem Bundeskanzler direkt unterstehenden Amtes Blank (Herbst 1950) als Vorläufer des Bundesministeriums für Verteidigung bestand im organisatorischen Rahmen der amerikanisch geführten deutschen militärgeheimdienstlichen Organisation Gehlen ein als Schatten-Generalstab...zu bezeichnendes Netzwerk. Dieses wurde gezielt mit amerikanischer Förderung ab 1947 mit Hilfe aus amerikanischer Gefangenschaft entlassener Generalstabsoffiziere ausgebaut und bildete sukzessive die Fähigkeiten und das Personal der zentralen Generalstabsabteilungen für Operation, Organisation und militärisches Nachrichtenwesen ab.“/2/
Endpunkt dieser verdeckten Vorbereitungen auf die militärische Revision der Ergebnisse des Krieges war 1955 die offizielle Gründung der Bundeswehr. Anfang 1956 zog die DDR mit der Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) nach. Es war die angemessene militärpolitische Reaktion auf die Remilitarisierung und die Integration der Bundesrepublik in die NATO.
Die Einheiten der Kasernierten Volkspolizei und der Deutschen Grenzpolizei wurden zum personellen Grundstock der neuen Armee. Am 1. März 1956 wurde dem ersten NVA-Regiment die Truppenfahne übergeben. Im Verlauf weniger Jahre wurde aus der Freiwilligentruppe eine modern ausgerüstete und gut ausgebildete Wehrpflichtarmee, die innerhalb des sozialistischen Verteidigungsbündnisses hohes Ansehen genoss.
Der Auftrag der Nationalen Volksarmee war ausschließlich die Landes- und Bündnisverteidigung und sie hat an der Trennlinie der Systeme mit hoher Professionalität ihren Beitrag zum Erhalt des Friedens geleistet.
Die Soldaten dieser Armee haben ihren schweren Dienst mit Anstand verrichtet. Das wurde im Herbst des Jahres 1989 auch von vielen Bürgerrechtlern anerkannt – allerdings mag sich mancher der damaligen Akteure heute nicht mehr daran erinnern. Und kaum jemand erinnert sich heute daran, dass im Frühjahr 1990 drei Viertel der Noch-DDR-Bürger meinten, dass NATO und Warschauer Pakt abrüsten und schließlich vollständig aufgelöst werden sollten./3/ Dreißig Jahre später operieren Soldaten der NATO im Baltikum und in der Ukraine. Und deutsche Generäle betreiben die Konditionierung der Bundeswehr für einen möglichen Krieg in Osteuropa.
Als ehemalige Soldaten der NVA haben wir die Pflicht, vor den Risiken einer militärischen Konfrontation mit Russland zu warnen. Wir stehen für eine an den Realitäten orientierte militärische Lageeinschätzung. Das ist heute unsere Aufgabe als „Soldaten für den Frieden“.
Ungeachtet der immer noch dominierenden öffentlichen Herabwürdigung der DDR und ihrer Streitkräfte konnte die Erinnerung an das Engagement und die Leistungen ehemaliger Soldaten der NVA bislang nicht ausgelöscht werden. Die NVA hat die Frauen und Männer, die in ihren Reihen dienten, geprägt. Und viele von ihnen sind auf diesen ehrenhaft verrichteten Dienst für ihr Land, der Teil ihrer Lebensleistung ist, zu Recht stolz. Die NVA ist unbestritten die einzige deutsche Armee, die keinen Krieg geführt hat. Und genau damit haben wir unseren Auftrag ehrenhaft erfüllt. Das ist die entscheidende Tradition, der fühlen wir uns verpflichtet und diese wollen wir weitertragen.
Wir grüßen an diesem 1. März 2021 alle ehemaligen Soldaten der Nationalen Volksarmee, der Grenztruppen und die Angehörigen der anderen Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR und danken für ihren oft aufopferungsvollen Einsatz. Lasst uns selbstbewusst mit unserer Vergangenheit umgehen und solidarisch zusammenstehen – „Trotz alledem!“
Präsidium
Quellen:
/1/ Voigt, J.: Was will man mehr. In: Wochenpost 26/93, S. 3
/2/ Keßelring, A., Loch, T.: 70 Jahre Besprechungsplan. Wie die verteidigungspolitische Konzeption der Bundesrepublik entstand. In: if - Zeitschrift für Innere Führung 1/2020. S. 42ff
/3/ Markus, U., Ritschel, D., Höschel, H.: Deutschland einig Vaterland? Zu sozialen und wahlpolitischen Trends in Ostdeutschland. Berlin 1993
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