September 2020

Großbritannien – Zentrum der psychologischen Kriegsführung

Die britische Spur

Zwar ist das britische Empire längst Geschichte, doch das Establishment des Landes agiert immer noch so, als sei Großbritannien ein geopolitisch bedeutender Machtfaktor, der das naturgegebene Recht hat, sich in die Belange anderer Staaten einzumischen. An Versuchen, durch eine traditionelle Politik des „Teile und herrsche“ britische Interessen weltweit und in Europa zu sichern, mangelte es in der jüngeren Vergangenheit nicht. Russland und die UdSSR waren dabei traditionell immer im Fokus britischer Außen- und Militärpolitik. Und weil das militärische Gewicht Großbritanniens für eine singuläre Machtprojektion mittlerweile nicht mehr ausreicht, vielmehr das Land ohne den Schulterschluss mit den USA militärisch nur eingeschränkt handlungsfähig ist, bedarf es anderer Methoden, um geopolitisch im Spiel zu bleiben. Nicht als Spielführer, sondern als getreuer Schildknappe der Weltmacht USA.

Besonders tun sich dabei die Geheimdienste Ihrer Majestät hervor. Abgesehen vom Geheimdienstverbund der sogenannten Five Eyes der Nachrichtendienste der USA, Australiens, Neuseelands, Kanadas und Großbritanniens, ist London auf dem Feld der Cyber-Operationen gut aufgestellt. Der britische Dienst Government Communications Headquarters (GCHQ) verschaffte sich z.B. jahrelang im Rahmen seines TEMPORA-Programms Zugang zu Glasfaserkabeln verschiedener Telekommunikationsunternehmen und Internetanbieter, deren Identität allerdings geheim gehalten wurde, um massive Imageschäden und politische Verwerfungen zu vermeiden. Das mag ein Indikator für den Umfang dieser Operationen sein. Doch damit nicht genug: Seit Jahren werden im Rahmen der nationalen Cyber Security Strategie große Budgets für die Cyber Defense Operations Group bereitgestellt. So werden Kapazitäten für den Krieg im Internet aufgebaut.

Doch offenbar sind britische Nachrichtendienste auch im traditionellen Infiltrations- und Desinformationsgeschäft unterwegs. Die im Westen hochgelobte und auch von der deutschen Regierung finanziell unterstützte Organisation der syrischen Weißhelme war von einem britischen Nachrichtendienstler gegründet worden und wird von London aus geführt. Die Truppe war nie die politisch unabhängige und humanitäre Nichtregierungsorganisation als die sie in westlichen Medien präsentiert wurde, sondern Instrument zur Organisation von Desinformationskampagnen gegen Russland und seinen syrischen Verbündeten. Markenzeichen dieser Gruppierung sind Falschinformationen über den vermeintlichen Einsatz chemischer Kampfstoffe gegen Zivilisten durch die Syrische Armee. Diese mit großer Anteilnahme westlicher Medien angeprangerten Vorfälle erwiesen sich regelmäßig als gezielte Inszenierungen. Teilweise publizierten russische Stellen bereits im Vorfeld solcher false-flag-Operationen, wann und wo sie stattfinden würden. Der vermeintliche Einsatz chemischer Kampfstoffe sichert zuverlässig die Aufmerksamkeit des Publikums im Westen und macht den beschuldigten Staat zum Angeklagten, der aus der internationalen Gemeinschaft ausgestoßen wird. Stellt sich dann heraus, dass die präsentierten Beweise präpariert wurden, ignoriert man das und die Medien verwenden in ihrer Argumentation weiterhin einfache Kausalketten, die auf Falschinformationen beruhen. In der Wahrnehmung der Bevölkerung wird ein Erklärungsmodell verankert, das zwar von einer falschen Grundannahme ausgeht, aber nicht mehr hinterfragt wird. So entstehen Feindbilder.

In alter imperialer Tradition ist es eine Obzession britische Politiker und Nachrichtendienstler, in Europa für machtsichernde Zwietracht zu sorgen. Diese Tendenz wird sich mit der bevorstehende endgültigen Trennung Großbitanniens von der Europäischen Union noch verstärken. In diesem Zusammenhang ist die antirussische Stoßrichtung unübersehbar. Eine enge Kooperation der westeuropäischen Staaten und insbesondere Deutschlands mit Russland würde einen Wirtschaftsraum schaffen, in dem der Inselstaat machtpolitisch und wirtschaftlich keine Rolle mehr spielen könnte. Das britische Interesse, den Kontinent politisch zu spalten und Russland zu neutralisieren, trifft auf ähnliche geopolitische Interessenlagen der Vereinigten Staaten. Versuche der Schwächung, wenn möglich, Zerschlagung Russlands gehen einher mit dem Bemühen, die Europäische Union als konkurrierende Wirtschaftsmacht einzuhegen und von der Durchsetzung eigener Machtinteressen abzuhalten. Ein zerstrittenes, handlungsunfähiges Westeuropa und ein schwaches, politisch von außen lenkbares Russland sind zudem optimale Voraussetzungen für die von den USA forcierte Bekämpfung Chinas.

Und in dieser geopolitischen Konstellation finden verdeckte Operationen britischer Dienste gegen Russland ihre Erklärung. Die Skripal-Affäre, bei der eine angebliche Vergiftung des ehemaligen Doppelagenten und seiner Tochter durch russische Dienste nie schlüssig bewiesen werden konnte, weist ebenso die Handschrift britischer Desinformationsspezialisten auf, wie der derzeit medial am Kochen gehaltene Fall Navalny. Hier zeigen sich neuerdings interessante Spuren, die nach London führen. So schreibt der Autor Thomas Röper, dass sich im Umfeld Navalnys bis zur Notlandung seiner Maschine im sibirischen Omsk am 20. August Maria Pewtschich befunden habe, die zwei Tage später nach Deutschland ausreiste. Schon allein dieser Sachverhalt gibt Rätsel auf, weil sie als russische Staatsbürgerin wegen der Corona-bedingten Einreisebeschränkungen nur mit einer Sandergenehmigung in die Bundesrepublik hätte einreisen können. Die Dame ist nach Informationen russischer Quellen 33 Jahre alt, lebt in London und war 2009 Mitarbeiterin eines britischen Abgeordneten. Außerdem ist sie seit dieser Zeit Mitarbeiterin von Navalnys Anti-Korruptionsstiftung. Über Maria Pewtschich gibt es diverse Querverbindungen zu verschiedenen Förderern Navalnys in England, wie die russischen Oligarchen Chodorkowski, Browder, Aschkurov. Die bislang bekannten Details lesen sich in der Gesamtschau wie ein Thriller.

Wer auch immer mit welcher Absicht Navalny zeitweise aus dem politischen Spiel genommen hat – soviel scheint sicher: Eine solche Operation erfordert umfangreiche logistische Vorbereitung, die nur durch eine professionelle Struktur zu leisten ist. Zweitens ist die enge Zusammenarbeit von Behörden mehrerer westlicher Staaten notwendig gewesen. Drittens folgt die Regie dem in Syrien und Großbritannien erprobten Muster eines vermeintlichen Chemiewaffeneinsatzes, der dem Gegner angelastet wird. Viertens deuten die Abläufe bei der politischen und medialen Vermarktung des Falles Navalny auf eine konzertierte kommunikationspolitische Operation mehrerer westlicher Interessengruppen und Nachrichtendienste hin.

Und das Ziel scheint erreicht: Das antirussische Feindbild konnte gefestigt werden, westeuropäische Staaten üben jenseits sonstiger Animositäten und Meinungsverschiedenheiten den moralischen Schulterschluss, die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind auf dem Tiefpunkt, die NATO findet für ihre antirussischen Stoßrichtung Bestätigung und Sinnstiftung und deutsche Transatlantiker können endlich versuchen, das von den USA bekämpfte Nord-Stream-2 Projekt scheitern zu lassen. Die Vorgänge erweisen sich damit als Teil der langfristigen psychologischen Vorbereitung der Bevölkerung Westeuropas auf einen Krieg gegen Russland.

Quelle: https://www.anti-spiegel.ru/2020/12.9.2020.

von Redaktion