Waffen in Volkes Hand

55. Jahrestag der Gründung der NVA

Mit der Geburtsstunde der Nationalen Volksarmee der DDR am 1. März 1956 begann ein Kapitel einmaliger deutscher Militärgeschichte. Aus dem Volke kommend, entstand erstmalig in der deutschen Geschichte eine Armee für das Volk, geführt von aufrechten deutschen Patrioten und Antifaschisten. Sie entstand auf der Grundlage des Gesetzes der Volkskammer vom 18. Januar 1956.

Willi Stoph sagte in seiner Begründung des Gesetzes:

Diese Volksarmee, deren Angehörige aus den Reihen des Volkes kommen, soll im Interesse der Werktätigen den militärischen Schutz der Heimat und der demokratischen Errungenschaften gewährleisten. Damit wird die DDR zugleich ihren Beitrag zu den gemeinsamen Bemühungen der verbündeten sozialistischen Staaten im Kampf um die Sicherheit ihrer Länder und um die Erhaltung des Friedens leisten.

An diese Orientierung hat sich die NVA in ihrer 34-jährigen Existenz konsequent gehalten.

Sie kann für sich in Anspruch nehmen, dass sie sich in den Jahren ihres Bestehens an keinerlei kriegerischen Handlungen beteiligt hat und ihre Soldaten nicht zu Kriegseinsätzen ins Ausland schickte.

Die Völker der Welt haben deutsche Armeen ganz anders kennengelernt. Die schlimmsten Kriege des letzten Jahrhunderts gingen auf deutsches Konto. Deutsche Armeen waren in der Welt gehasst und gefürchtet, weil sie den Völkern millionenfach Tod, Elend und grenzenlose Zerstörung brachten. Auch heute marschiert die Bundeswehr in gleichem Schritt und Tritt mit, wenn es um die Durchsetzung ökonomischer Interessen der Mächtigen der westlichen Welt geht. Die Teilnahme der Bundeswehr an den Kriegen gegen Jugoslawien und gegen Afghanistan ist in keiner Weise gerechtfertigt und legitimiert. Mit der bevorstehenden Reform der Bundeswehr und der Umwandlung in eine Berufsarmee wird deren Interventionsfähigkeit weiter erhöht. Die Welt wird das sicher nicht als Friedensbotschaft deutscher Militärpolitik wahrnehmen. Diesbezüglich befindet sich die Bundeswehr in den verhängnisvollen Traditionen vergangener deutscher Armeen.

Erstmalig in der deutschen Militärgeschichte und auch einmalig bis heute gab es von 1956 bis 1990 mit der NVA eine deutsche Armee, auf die die Völker Europas mit Vertrauen blicken konnten, vor der sie sich nicht zu fürchten brauchten. Sie hat einen bedeutenden Anteil daran, dass es nach dem 2. Weltkrieg eine 50-jährige Friedensperiode gab. Dafür gebührt noch heute allen Verantwortlichen, den militärischen Führungskadern und allen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten am Vorabend des 55. Jahrestages der Gründung der NVA hohe Anerkennung und Dank.

Die Nationale Volksarmee war eine gut ausgebildete, gefechtsbereite Armee, die im Bestand des Warschauer Vertrages in vorderster Linie das militärstrategische Gleichgewicht mit garantiert hat. Damit gebührt auch ihr das Verdienst, dass in der Nachkriegsperiode, in der Zeit des Kalten Krieges, im Atomzeitalter, die todbringenden Vernichtungswaffen in den Arsenalen blieben und letztlich die Vernunft in den Beziehungen zwischen den Völkern die Oberhand gewann. Im Einklang mit der politischen und militärwissenschaftlichen Erkenntnis aller Warschauer Vertragsstaaten waren wir uns bewusst, dass alles getan werden musste, einen Krieg zu verhindern, der, einmal begonnen, zwangsläufig zu einer atomaren Auseinandersetzung eskaliert wäre. Folgerichtig wurde deshalb in der politischen Deklaration der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages vom 5. Januar 1983 festgestellt:

In einem Kernwaffenkrieg, würde er entfesselt, kann es keine Sieger geben. Er würde unausweichlich zum Untergang ganzer Völker, zu kolossalen Zerstörungen und katastrophalen Folgen für die Zivilisation und das Leben auf der Erde überhaupt führen.

Auf dieser Erkenntnis beruhten die vielseitigen Vorschläge des Warschauer Vertrages zu Beginn der 80-er Jahre zur Rüstungsbegrenzung und die vertrauensbildenden Maßnahmen zur Eindämmung und Beseitigung von Konfliktherden, so auch das einseitige Moratorium der UdSSR zur Aufhebung der Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa. Von großer Bedeutung war die Versicherung der Sowjetunion vor der UNO, nicht als erste Kernwaffen einzusetzen und die Vorschläge der DDR, in Deutschland eine nuklearwaffenfreie Zone zu schaffen bis hin zu einseitigen Abrüstungsmaßnahmen, der Verringerung der Personalstärke und Bewaffnung der NVA.

Damit hatten wir der Welt überzeugend klar gemacht, dass wir es mit der Kriegsverhinderung ernst meinten und auch entsprechend danach handelten. Leider blieben analoge Reaktionen seitens der NATO in Form äquivalenter Gegenleistungen zu dieser Zeit aus. Solange sich die NATO und der Warschauer Vertrag unversöhnlich mitten in Europa, mit der Trennlinie in Deutschland, gegenüberstanden, gebot es die Logik, neben den konkreten Schritten zum Abbau der Konfrontation keinen Augenblick eine Verletzung des militärstrategischen Gleichgewichts zuzulassen und die Gefechtsbereitschaft der Truppen zu vernachlässigen. Voraussetzung dafür war die Fähigkeit der Truppen der Vereinten Streitkräfte, allen Bedrohungen und Gefahren seitens der NATO gewachsen zu sein und mögliche Militärschläge erfolgreich abzuwehren.

Die NVA war unter diesen konkreten zeitlichen Bedingungen mit hochmoderner Kampftechnik ausgerüstet. Alle Teilstreitkräfte, die Landstreitkräfte, die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung, die Volksmarine, sowie die Grenztruppen der DDR hatten einen solchen Stand der Befähigung, dass alle im Vereinten Kommando des Warschauer Vertrages abgestimmten und festgelegten Aufgaben zum Handeln im Koalitionsbestand erfolgreich hätten erfüllt werden können. Im Laufe der Jahre hatte die NVA einen hervorragend ausgebildeten Kaderbestand entwickelt, der befähigt war, die hohen Anforderungen an das Militärwesen zu meistern.

Tausende Kader wurden auf den sowjetischen Militärakademien, einschließlich der Generalstabsakademie, der Militärakademie der NVA „Friedrich Engels“, den Offiziershochschulen aller Teilstreitkräfte, sowie den Unteroffiziersschulen ausgebildet und weiterqualifiziert. Von der Kompanie bis zur Division und Armee standen an der Spitze hoch motivierte, militärisch befähigte Kommandeure, die das Prinzip der modernen Truppenführung beherrschten und in der Praxis umsetzten.

Die Waffengattungen und Dienste Artillerie, Raketentruppen, Truppenluftabwehr, chemische Dienste, Pioniertruppen, Nachrichtentruppen, technische Dienste, Rückwärtige Dienste verfügten über die erforderlichen Spezialisten, die ein erfolgreiches Zusammenwirken im Gesamtbestand der Armee, sowohl unter Gefechtsbedingungen, als auch im täglichen Truppenleben, sicherten. Dazu zählten auch die vielen Tausend Zivilbeschäftigten in der NVA, die ihren spezifischen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben leisteten.

Sie alle haben ihre Verbundenheit zu ihrem Staat, der DDR, täglich, oft unter Zurückstellung ihrer persönlichen Probleme, überzeugend bewiesen. Mit hoher Bereitschaft haben sie ihre Pflichten über Jahrzehnte in der NVA erfüllt und damit ihren Dienst am Volke geleistet. Sie alle können heute auf erfüllte Biographien zurückblicken und brauchen sich wegen ihrer Vergangenheit nicht zu schämen. Es kann sie mit Stolz erfüllen, in einer Armee gedient zu haben, die während ihrer 34-jährigen Existenz eine wahre Armee des Volkes war, die Friedensicherung und nicht Kriegsführung auf ihre Fahnen geschrieben hatte.

Schon bei ihrer Gründung 1956 berief sich die NVA auf die antifaschistischen, revolutionären und fortschrittlichen deutschen Militärtraditionen. Die Kasernen und Truppenteile trugen die Namen jener, die sich in der Geschichte besonders für das Volk, für sozialen Fortschritt, gegen Faschismus und Krieg, für Humanismus und den Kampf um den Frieden verdient gemacht haben. Diese Traditionen wurden in der NVA gepflegt und waren fester Bestandteil der patriotischen Erziehung.

Bis 1989 standen an der Spitze der NVA im antifaschistischen Kampf erprobte, militärisch bestens qualifizierte Persönlichkeiten als Minister: die Genossen Willi Stoph, Heinz Hoffmann und Heinz Keßler. Admiral Theo Hoffmann hat im letzten Jahr der Existenz der NVA diese Traditionslinie fortgesetzt. Sie waren in der Armee hoch geachtet und geschätzt. Der Anstand und die Würde, die Achtung vor diesen Persönlichkeiten der DDR verbietet jegliche Gleichsetzung mit den 15 Verteidigungsministern der BRD seit 1955, sowohl was Herkunft, militärische Befähigung als auch Verbundenheit mit den Soldaten betrifft.

Im Gegensatz zu den vergangenen deutschen Armeen war der Dienst in der NVA stets Dienst am Volke, für das Volk. Der Schutz der Errungenschaften der Werktätigen der DDR, einschließlich des Schutzes des sozialistischen Eigentums, war das eigentliche Anliegen des Militärdienstes in der NVA. Verfassungstreu haben die Soldaten, Unteroffiziere, Offiziere, Generale und Zivilbeschäftigten 34 Jahre ihre Pflicht gegenüber der DDR erfüllt.

Die Artikel 7 und 8 der Verfassung der DDR waren für die NVA Grundlage ihres Handelns.

Artikel 7:

1. Die Staatsorgane gewährleisten die territoriale Integrität der DDR und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenzen, einschließlich ihres Luftraumes und ihrer Territorialgewässer, sowie den Schutz und die Nutzung ihres Festlandsockels.

2. Die DDR organisiert die Landesverteidigung sowie den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger. Die NVA und die anderen Organe der Landesverteidigung schützen die sozialistischen Errungenschaften des Volkes gegen alle Angriffe von außen. Die NVA pflegt im Interesse des Friedens und der Sicherung des sozialistischen Staates enge Waffenbrüderschaft mit den Armeen der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten.

Artikel 8:

1. (...)

2. Die DDR wird niemals einen Eroberungskrieg unternehmen oder ihre Streitkräfte gegen die Freiheit eines anderen Volkes einsetzen.“

Verfassungstreu haben auch die Führungskader der NVA in den Herbsttagen 1989 gehandelt, als sie den Einsatz der Waffen zu keinem Zeitpunkt der Entwicklung der Ereignisse in Betracht gezogen haben. Wenn ab und an die Frage gestellt wird, warum die NVA als moderne und starke bewaffnete Kraft der DDR nicht mit Waffengewalt den Fortbestand des Sozialismus gesichert hat, kann es nur eine eindeutige Antwort geben:

Die NVA war dazu nicht legitimiert, nicht bereit und auch nicht befähigt.

Der Charakter unserer Armee als Armee des Volkes ließ einen Einsatz gegen das Volk nicht zu. Ihr Verfassungsauftrag bestand darin, die DDR gegen alle Angriffe von außen zu schützen.

Ausmaß und Folgen eines Eingreifens der NVA im Innern wären unverantwortlich gewesen und hätten den Untergang der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR nicht verhindern können. Auch die ruhmreiche Sowjetarmee, die den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg errungen und den Faschismus vernichtend geschlagen hat, war nicht in der Lage, die Sowjetunion und ihre sozialistischen Errungenschaften gegen konterrevolutionäre Kräfte, so wie sie auf den Plan getreten sind, zu verteidigen. Das hätte die sozialistische Staatengemeinschaft viele Jahre früher, durch gemeinsam abgestimmte ökonomische, gesellschaftliche und staatliche Maßnahmen garantieren müssen.

Ich verstehe darunter u.a.

  • grundlegende ökonomische Reformen zur Erreichung wachsender Parameter der Arbeitsproduktivität,
  • erforderliche Schritte zu mehr Demokratie in allen Ländern unter Beachtung der Volksinteressen,
  • das Aufbrechen verkrusteter Parteistrukturen durch Abbau der zentralistischen Hierarchie, zugunsten verbesserter innerparteilicher Demokratie,
  • gemeinsame konsequente Maßnahmen gegen Erscheinungen der ideologischen Aufweichung sozialistischer Positionen und des Verrates an den Interessen des Sozialismus.

Militärisch waren die Armeen des Warschauer Vertrages, auch die NVA, in der Lage, jegliche Angriffe von außen abzuwehren und so den Fortbestand und die weitere Entwicklung des Sozialismus zu verteidigen und zu garantieren.

Die NVA hat in ihrer aktiven 34-jährigen Geschichte das für das Volk und den Frieden getan, was maximal möglich war. Sie hat ihren Platz in der Geschichte gefunden.

von web597 (Kommentare: 0)

Zurück