Das Kapitel der Armee der Einheit wird geschlossen
Was hat man nicht alles der Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, und ihrem Ministerium in den letzten Wochen und Monaten zugemutet?
Da wurden schwere Geschütze von Kritikern jeglicher Couleur abgefeuert und die Ministerin musste sich an allen Fronten in harten Grabenkämpfen gegen Vorwürfe zu veralteter Technik, Fehlinvestitionen, terroristischen Zellen innerhalb der Bundeswehr, rechtem Gedankengut in der Truppe und unangebrachten Namen von Kasernen zur Wehr setzen.
Wir können uns lebhaft vorstellen, wie die PR Krisenmanager im Berliner Bendlerblock gemeinsam mit der Ministerin nach Lösungen und Ursachen bzw. nach Schuldigen für die Misere geforscht haben und – den Mächtigen sei es gedankt – fündig geworden sind!
Die Bundeswehr hat ein Problem mit ihren Traditionen!
Diese bahnbrechende Erkenntnis kommt allerdings zu einem schlechten Zeitpunkt, bereitet man sich doch im Verteidigungsministerium ganz offen und unverblümt auf die Unterstützung unserer um deutsche Hilfe rufenden Verbündeten in den baltischen Staaten und der Ukraine vor, verlegt weiterhin massiv Truppen und Ausrüstung an die Grenze zu Russland und stellt Territorium für den Aufmarsch amerikanischer Truppen zur Verfügung.
In Zeiten, in denen man auf Grund der Vielzahl der durch die Regierung beschlossenen militärischen „Friedenmissionen“ in Afghanistan, in Mali, im Mittelmeer, vor der Küste Somalias, im Baltikum und in der Türkei (Syrien) kaum noch über Möglichkeiten zur Lösung der zahlreichen internen Probleme (Disziplinverstöße, sexuelle Missbrauchshandlungen u.a.) verfügt, muss also eine schnelle und allumfassende Lösung für dieses Problem her.
Was liegt also näher, als einen Rundumschlag, der sich gewaschen hat, durchzuführen, und gleich noch ein weiteres unliebsames Kapitel lästiger deutscher Geschichte abzuschließen?
Im Entwurf des Erlasses: „TRADITION DER BUNDESWEHR – Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“, der auf Spiegel Online veröffentlicht (1) wurde, werden suspekte Wehrmachtstraditionen genauso in Frage gestellt wie Traditionen der „…SED geführten und im Sinne ihrer Politik handelnden…“ Nationalen Volksarmee; mehr noch, werden Wehrmacht und Nationale Volksarmee auf eine Stufe gestellt.
Diese unglaubliche Darstellung ist nicht nur mit aller Schärfe zu verurteilen, sondern muss auch jeden ehemaligen Angehörigen der Nationalen Volksarmee und der anderen bewaffneten Organe der DDR mit Zorn erfüllen.
Die Wehrmacht als eine Armee, die allein bis 1943 zwei Millionen russische Kriegsgefangene, bis zum Ende des Krieges drei Millionen Kriegsgefangene, elendig verhungern lies, die nach der SS der zweitgrößte Kriegsverbrecher im 2. Weltkrieg war, in einen Topf mit der Nationalen Volksarmee zu werfen, ist mehr als verwerflich und nicht tolerierbar.
Wir können schon verstehen, dass die Traditionen der Nationalen Volksarmee, gerade in der heutigen Zeit, bei den ideologischen Führungskadern der Bundeswehr wie ein Fremdkörper, wie ein unliebsames Gepäckstück, das bis jetzt mitgeschliffen wurde, wirken müssen, unterscheiden sie sich doch so sehr vom Traditionsverständnis der Bundeswehr.
Die ehemaligen Angehörigen der Nationalen Volksarmee zählen die Bewahrung des Friedens zu ihrer Haupttradition. Unter Wahrnehmung der besonderen Verantwortung der Deutschen hat die NVA an keinem Kriegseinsatz teilgenommen, auch nicht an bündnisgelenkten Militäraktionen.
Das war unser Sinn des Soldatseins und nicht wie in heutiger Zeit unter dem Deckmantel der vermeintlichen Sicherung der Demokratie und westlicher Freiheitswerte in vielen Ländern der Welt an Militäreinsätzen teilzunehmen.
Ja, wir können schon die Probleme der Bundeswehr mit den Traditionen der Nationalen Volksarmee verstehen, haben doch auch wir unsere Verständnisprobleme mit den Einsätzen und den gelebten fragwürdigen Traditionen der Bundeswehr, von denen wir uns distanzieren. Wir würden aber niemals unkommentiert die Bundeswehr mit der Wehrmacht gleichsetzen.
Sollte nun dieser Entwurf der Ministerin handlungsregulierend werden, ergeben sich daraus natürlich eine ganze Reihe von interessanten Fragen, deren Beantwortung wir mit Spannung entgegensehen.
Wie verhält es sich zukünftig mit den Renten und Bezügen für faschistische Offiziere und Wehrmachtsangehörige?
Während vollkommen widerrechtlich ehemalige Berufssoldaten der Nationalen Volksarmee und der anderen bewaffneten Organe der DDR in den zurückliegenden Jahren diffamiert, systematisch ihrer Rechte beraubt und nicht nur bei den Renten und Bezügen wie Menschen 2. Klasse behandelt wurden, beziehen ehemalige Offiziere der faschistischen Wehrmacht und deren Angehörige weiterhin Renten in voller Höhe auf Steuerzahlerkosten.
Werden Ihnen diese Bezüge, da sie nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen noch zur Tradition der Bundeswehr gehören, nun aberkannt bzw. drastisch gekürzt?
Werden sie nun auch wie die Angehörigen der Nationalen Volksarmee behandelt oder werden Wehrmachtsangehörige und Kriegsverbrecher monetär und moralisch weiter höher gestellt, als die Berufssoldaten der Nationalen Volksarmee?
Werden jetzt alle Kasernen mit Namen von Wehrmachtsangehörigen umbenannt?
Die Kasernen aus dem Bestand der Nationalen Volksarmee sind doch recht schnell umbenannt worden. Wird denn Gleiches nun auch in ähnlicher Geschwindigkeit mit Kasernen der Bundeswehr geschehen?
Wir glauben, die Antworten auf diese Fragen schon zu kennen, wollen jedoch den Strategen im Bundesverteidigungsministerium nicht vorgreifen.
Wir fordern eine Rücknahme bzw. Überarbeitung dieses Entwurfes und eine klare Differenzierung zwischen Wehrmacht und der Nationalen Volksarmee. Die einfachste Lösung ist es, zwei gesonderte Erlasse vorzunehmen. Und wir haben dazu noch einen weiteren Vorschlag. Da beide Armeen gleichzeitig nebeneinander existiert haben, ist die Traditionsfrage schon aus historischer Sicht gegenstandslos, aber als Vorbild für die Nichtbeteiligung an Kriegseinsätzen kann die NVA fungieren.
Wir sind jedoch keine Träumer und wissen, dass dieser Erlass einzig und allein dazu dient, die völkerrechtswidrigen Vorgehensweisen gegen die Berufssoldaten der Streitkräfte der DDR rückwirkend und für die Zukunft zu legitimieren, die Armee der Einheit zu begraben.
(1) Spiegel Online, media-42147.pdf, Artikel vom 20.11.2017, Autor: Matthias Gebauer.
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