Ukrainische Munitionssorgen

Einer der schwächsten Punkte der ukrainischen Streitkräfte, die sich in der Nähe des Donbass befinden, ist der akute Mangel an 152-mm-Artilleriegranaten. Und das, obwohl die Streitkräfte der Ukraine laut offiziellen Angaben über mehr als 30 Artillerieabteilungen mit D-20 Haubitzen, 2A36 „Giatsint-B“-Geschütze, 2S19 „Msta-S“-Panzerhaubitzen und 2S3 „Akazija“-Panzerhaubitzen mit genau diesem Kaliber verfügen. Sie sind unentbehrlich, wenn es darum geht, in eine gut befestigte Verteidigungslinie eines Gegners einzubrechen. Wenn es nicht genug Granaten gibt zieht sich der Durchbruch der gegnerischen Verteidigung lange hin oder er verwandelt sich für die Angreifer in ein Blutbad und bleibt stecken.

Wie können die Streitkräfte der Ukraine unter solchen Bedingungen in die Offensive gegen den Donbass gehen? Wo sind alle Granaten und Raketen geblieben, die seit Sowjetzeiten in Höhe von astronomischen 2,5 Millionen Tonnen in den Arsenalen des Landes gelagert wurden? Einschliesslich vieler Granaten des Kalibers 152 mm. In Kiew vermutetet man, dass sie gestohlen wurden. Jemand stahl ganze Waggons und verwischte dann geschickt die Spuren.

Nach Beginn des Krieges um den Donbass wurden drei von sechs ukrainischen strategischen Arsenalen durch mysteriöse Explosionen in die Luft gesprengt. So am 23. März 2017 das Arsenal in Balakleya (Gebiet Charkiw). Dabei wurden etwa 100.000 Tonnen Munition zerstört. Am 26. September 2017 explodierte das Arsenal in Kalinowka (Gebiet Winniza), wo 39.000 Tonnen Munition zerstört wurden und am 9. Oktober 2018 kam es zur Explosion eines Lagers in Ichny (Gebiet Tschernigow) mit etwa 65.000 Tonnen Munition.

Allein im Arsenal Ichny lagerten etwa 20.000 152-mm-Granaten für die „Akazija“-Panzerhaubitzen. Hinzu kamen 9.000 Granaten für die „Msta-S“-Panzerhaubitzen. Wie üblich, wurden in allen drei Fällen öffentlichkeitswirksame strafrechtliche Ermittlungen zugesagt. Aber alle endeten im Nichts. Und auf höchster Ebene in Kiew hörten die Anschuldigungen gegen Russland nicht auf. Russland hätte Sabotage betrieben, um die tapferen „Verteidiger der Ukraine“ im Vorfeld listig zu entwaffnen. Allerdings wurde bis jetzt kein einziger Beweis dafür vorgelegt.

Versuche, die verlorene Munition nach dem von Kiew erprobten Prinzip „Europa wird uns helfen“ zu beschaffen, scheiterten. Denn fast der ganze Rest der Welt hat, mit Ausnahme von Russland und einigen ehemaligen Sowjetrepubliken sowie teilweise Bulgarien, auf NATO-Kaliber 155mm umgestellt. Sogar China. Und deshalb konnte das Ausland der Ukraine nichts für die „Akazija“ und „Msta-S“ anbieten.

Polen hatte vor ein paar Jahren eine fast lächerlich kleine Stückzahl mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum in seinen Lagern gefunden und sofort mit Freude, denn sie mussten die Granaten nicht selbst entsorgen, an die Ukraine verkauft.  Neulich versprach die Tschechische Republik, 4.000.000 Stück aller Arten verschiedener uralter Munition der Ukraine zu schenken. Das klaffende Loch im ukrainischen  Munitionsbedarf bleibt bestehen.

Aber die Führung der Ukraine will mit ihrer Artillerie den Donbass zurückerobern!  Also startete sie die Produktion von 152-mm-Artilleriegranaten in eigener Regie. Das hat jedoch bisher nicht funktioniert. Obwohl ein Programm zur Entwicklung der Munitionsindustrie verabschiedet wurde. In Übereinstimmung mit diesem Programm nahm das Privatunternehmen „Rubin-2017“ im Kiewer Werk „Artem“, das sich zuvor hauptsächlich auf die Herstellung von Flugkörpern spezialisiert hatte, die Arbeit für die Produktion von 152-mm-Granaten auf.

Im Jahr 2020 stellte sich unerwartet deren Unbrauchbarkeit heraus, als die ersten Muster für die ukrainische Armee zum Test auf dem 242. Waffenübungsgelände des Einsatzkommandos „Nord“ der Streitkräfte der Ukraine erprobt wurden. Wie Vladimir Schetinin, Direktor von LLC „Tjuringismus“, der bei den Tests anwesend war, auf seiner Netzwerk-Seite schrieb, waren die Granaten nicht zentriert und richtig ausgewogen, wie es vorgeschrieben ist. Infolgedessen schrammte eine von ihnen beim Verlassen des Laufes die Mündungsbremse und die Kanone als auch die Granate wurden beschädigt. Die Granate explodierte 80 Meter vor der Waffe in der Luft. Laut Schetinin werden nun die zum Testen und zum Schießen vorgesehenen weiteren Granaten mit einem für solche Zwecke angepassten anderen Sprengstoff ausgestattet, der vom Chemiewerk Pawlograd hergestellt wird. Dieser Sprengstoff ist nicht für eine Langzeitlagerung geeignet und nimmt mit der Zeit an Volumen zu. Trotzdem werden immer noch solche  Granaten an die ukrainischen Truppen ausgeliefert. Dort sind sie nicht nur beim Abfeuern gefährlich, sondern auch bei der normalen Lagerung in den Artillerieverbänden. Aber wen kümmert das in Kiew, das von der Rückeroberung des Donbass träumt.

Kiew wird höchstwahrscheinlich die Untersuchungen zu den Ursachen der Explosionen in den ukrainischen strategischen Arsenalen wieder aufnehmen müssen. Aus der Türkei kommt jetzt die Bestätigung lang diskutierter Vermutungen: Die Munitionsdepots wurden vom ukrainischen Militär selbst gezielt geplündert und vor der Bestandsaufnahme, wahrscheinlich auf Anweisung hoher Vorgesetzter, zerstört. Niedrigere Ränge wären nicht in der Lage gewesen, so etwas zu organisieren. Aus der Türkei kam plötzlich ein umfassender Bericht für die Staatsanwaltschaft von Kiew, wie und warum in den Jahren 2017-2018 drei ukrainische Arsenale zerstört wurden. Es begann damit, dass der türkische Geheimdienst MIT am 26. Januar 2022 aus der Ukraine den türkischen politischen Emigranten und ehemaligen Major einer türkischen Spezialeinheit, Bozkir Nuri Gohan, entführte. Er ging ins Exil, kurz nachdem Erdogan in seinem Land an die Macht gekommen war und eine Politik der schrittweisen Islamisierung der Türkei einleitete. Der neue Präsident wurde damals von vielen Militärs, einschließlich Major Gohan, nicht unterstützt. 2007 beschuldigte ihn ein türkisches Militärgericht der Preisgabe von Staatsgeheimnissen und schickte ihn sechs Jahren ins Gefängnis. Aber Gohan saß nur zweieinhalb Jahre hinter Gittern. Daraufhin wurde das Urteil aufgehoben. Der ehemalige Major wurde freigelassen, aber er hielt es für das Beste, aus der Türkei zu flüchten. So landete er in Kiew. Dort verrichtete er eine ähnliche Arbeit wie während seines Dienstes in der Türkei. Das waren Vermittlungsdienste für Waffen- und Munitionslieferungen ins und aus dem Ausland. Und nun natürlich besonders aus der Ukraine. Wie er vor ukrainischen Journalisten schon vor der Entführung zugab, hatte er gute Kontakte zum ukrainischen Verteidigungsministerium geknüpft. Alles wurde jedoch auch in der Ukraine vom türkischen Geheimdienst überwacht. Wohin gelangten die durch den Ex-Major vermittelten sowjetischen Waffen- und Munitionslieferungen aus der Ukraine? In den Nahen Osten. Am häufigsten zu den pro-türkischen Islamisten in Syrien. Obwohl die Türkei normalerweise als Endabnehmer aufgeführt wurde. Seit 2012 ist der eigentliche Empfänger der Waffen der Feldkommandant der Turkmenen und langjährige Geschäftspartner von Major Gohan, Khalil Harmid. Auf den zu ihm transportierten Kisten befanden sich laut Gohan häufig Markierungen der Armeelager der Streitkräfte der Ukraine, auch aus Balakleya, das im März 2017 von mysteriösen Explosionen erschüttert wurde.

Kauf und Transit der Waffen- und Munitionslieferungen, behauptet Gohan, wurden heimlich von Katar bezahlt. Die Dollar kamen in Containerkisten an die türkische Grenze. „Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich nie geglaubt, dass das möglich ist“, sagte er vor ukrainischen Journalisten. „Sieben Container mit Dollars kamen aus Katar an. Sie wurden heimlich in meiner Anwesenheit abgeladen. All dies wurde vom türkischen MIT kontrolliert. Die Container wurden unter sorgfältiger Bewachung zum Stützpunkt der ukrainischen Militärpolizei transportiert. Auf persönlichen Wunsch erhielt ich soviel Geld, wie für den Kauf der nächsten Waffenlieferung benötigt wurde. Ich habe eine Firma gegründet. Mit Unterstützung des MIT wurde mir ein Dokument des offiziellen Endabnehmers der Waffen, der türkischen Streitkräfte, ausgestellt. Das heißt, ich habe sozusagen offiziell ukrainische Waffen und Munition an die türkische Armee verkauft. Nachdem ich die Waffen gekauft und erhalten hatte, transportierte ich sie in mein Lager und schickte sie dann über Turkmenistan zu den syrisch- türkischen Rebellen in Syrien.“

Insgesamt lieferte Gohan von 2012 bis 2015 auf diese Weise 49 Transporte mit Waffen an die Turkmenen. Die durchschnittlichen Kosten für jede Charge betrugen zwei bis vier Millionen Dollar. Die Sicherheit dieses Prozesses wurde vom türkischen Geheimdienst gewährleistet.

Warum brach diese Verbindung zwischen dem ukrainischen Militär und syrischen Terroristenbanden dennoch zusammen, und warum wurde Gohan selbst von seinen ehemaligen Kuratoren aus der Ukraine in die Türkei entführt? Anscheinend ist er an der Gier gescheitert und den hohen ukrainischen Militärs wurde das Problem zu heiß. Wie der Ex-Major selbst sagte, schickte er die fünfzigste Ladung Waffen und Munition aus der Ukraine an die Turkmenen, ohne den türkischen Geheimdienst darüber zu informieren.

In der Türkei wurde er beschuldigt, angeblich einen Schriftsteller ermordet zu haben, der 2002 auf mysteriöse Weise starb. Der Sicherheitsdienst der Ukraine war an der Entführung des Majors beteiligt. Es ist anzunehmen, dass Beamte des Verteidigungsministeriums der Ukraine auch ihren Anteil an den Katar-Dollars erhalten haben, denn ohne Zutun ukrainischer Gewährsleute hätte nichts aus den Arsenalen entnommen werden können.

 

(Quelle: Ischenko, S., Swobodnaja Pressa, 2.02.22, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

 

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