Ukraine - Maritime Ambitionen

Maritime Ambitionen
Quelle: Collage tvnva, Archiv tvnva

Ukraine: Maritime Ambitionen

Auf der Krim waren nach der Wiedervereinigung mit Russland im Jahr 2014 79 Schiffe verblieben, die der ukrainischen Marine bei der Aufteilung der sowjetischen Schwarzmeerflotte zugefallen waren. Der Oberbefehlshaber der russischen Marine wies im Frühjahr 2014 die Übergabe dieser Schiffe an die Ukraine an. Auch die Kiewer Putschregierung forderte die Schiffe zurück. Die Übergabe begann am 11. April 2014. Aber schon im Juli 2014 folgte eine Unterbrechung. Die ukrainischen Militärs beriefen sich auf einen Beschluss des ukrainischen Verteidigungsrates, der beinhaltete, dass jegliche militärische Kooperation und Verhandlungen mit Russland einzustellen seien. Bis zu diesem Zeitpunkt waren der Ukraine 43 Schiffe und ein Teil der Marineflugzeuge und Hubschrauber übergeben worden. Mit diesem weitgehend technisch veralteten Bestand aus sowjetischer Produktion war die ukrainische Marine militärisch kaum handlungsfähig. Daran änderte auch die Lieferungen von zwei gebrauchten US-Patrouillenbooten nichts. Derzeit verfügt die ukrainische Marine vor allem über Schiffe geringer Tonnage aus überwiegend sowjetischer Produktion, so z.B. über fünf Korvetten, ein Raketenschnellboot, zwei Landungsschiffe, ein U-Boot, drei Minensuch- und Räumboote sowie knapp 20 Marineflugzeuge und Hubschrauber. Flaggschiff der Flotte ist eine in die Jahre gekommene Fregatte.

Mit der angestrebten vollständigen Integration des Landes in die NATO soll nun die ukrainische Flotte einen Modernisierungsschub erhalten, um im Verbund mit den Alliierten ein gewisses Gegengewicht zur russischen Schwarzmeerflotte bilden zu können. Das erweist sich allerdings als schwieriges Unterfangen. Zwar soll der Bestand mit Schiffen aus US-amerikanischer, französischer, britischer, türkischer und ukrainischer Produktion aufgestockt werden, doch die Finanzierung der Modernisierungsstrategie ist unsicher.

So ist die Korvette „Vladimir der Große" (Projekt 58250) mit einer Verdrängung von 2650 Tonnen noch im Bau. Die Entwicklungsarbeiten für das Schiff begannen 2005 und wurden 2011 abgeschlossen. Das Schiff sollte 2012 vom Stapel laufen, was allerdings wegen finanzieller Engpässe nicht möglich war. Derzeit ist die Korvette nur zu 50 bis 60 Prozent fertiggestellt. Nun soll die Übergabe an die Marine im Jahr 2022 erfolgen und bis 2028 sollen drei weitere Schiffe dieses Typs folgen. Allerdings ist die Finanzierung nicht gesichert.

Türkische Korvetten des Ada-Projekts sollen die Lücke teilweise schließen und könnten der ukrainischen Marine eine Kampfwertsteigerung bescheren. Die Bewaffnung dieser Schiffe besteht aus Flugabwehrraketen und zwei 324-mm-Torpedorohren. Die Korvetten können auch einen Marinehubschrauber S-70B Seahawk aufnehmen. Die in den Schiffen verbauten elektronischen und Radaranlagen stammen aus türkischer und französischer Produktion und weisen nach vorliegenden Informationen einen hohen Automatisierungsgrad auf. In der türkischen Marine gibt es bereits vier Schiffe dieses Typs, drei weitere sind im Bau und sollen an Pakistan geliefert werden. Die Ukraine will eine dieser Korvetten in der Türkei bauen lassen und weitere dann in Lizenz selbst fertigen. Jedes dieser Schiffe wird mit einem Betrag von knapp 150 Millionen Dollar den ukrainischen Rüstungshaushalt belasten. Mit der Übergabe des ersten Serienschiffes durch die Türkei ist in etwa zwei bis drei Jahren zu rechnen.

Auch mit Großbritannien wird die Kooperation im Bereich der Marinerüstung intensiviert. Bereits im Oktober 2020 unterzeichnete die Kiewer Regierung mit Großbritannien ein Memorandum über die Stärkung der Zusammenarbeit im militärtechnischen Bereich. Das Dokument sieht die Bereitstellung eines Darlehens in Höhe von 1,6 Mrd. US-Dollar an die Ukraine für gemeinsame Projekte in der Rüstungsindustrie vor. So ist nach Medienberichten die Produktion von Raketenbooten vom Typ „Barzan“ für die ukrainische Marine in vollem Gange. Boote dieses technisch veralteten Typs sind jedoch seit 20 Jahren nicht mehr vom Stapel gelaufen. Viel wichtiger ist britischen Marinestrategen der Ausbau der ukrainischen Marinebasis Ochakovo, für den ein Teil des Darlehens verwendet werden soll. Der Stützpunkt in der Nähe der Krim soll zur hydroakustischen und elektronischen Marineaufklärungsbasis unter britischer Führung ausgebaut werden. Von dort aus sollen die Schiffsbewegungen der russischen Schwarzmeerflotte beobachtet werden. Dieses Projekt ist ebenso wie die ständigen NATO-Flottenübungen im Schwarzen Meer Teil der Bemühungen des westlichen Bündnisses, Russlands militärischen Aktionsspielraum in der Region zu beschränken. Wäre die Krim – wie ursprünglich geplant – im Jahr 2014 zu einer Marine- und Luftwaffenbasis der NATO geworden, hätte das die Umsetzung dieses Vorhabens erheblich erleichtert.

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