Russland hat die Produktion seines neuen AWACS-Flugzeuges gestoppt

„Russische inländische Technologien, die bei der Herstellung von Elektronikbaugruppen verwendet werden, sind veraltet und hinken dem westlichen Niveau um mindestens 10 Jahre hinterher. Daher gab es bei der Ausrüstung des neuen fliegenden A-100-Radarkomplexes mit einheimischen Chips ernsthafte Probleme.“ So heißt es im Artikel des „Militärisch-industriellen Kuriers“ mit dem Titel „Wann findet die Premiere des „Premier“ statt?“ Es geht um eine fliegende Aufklärungs- und Kommandostelle, die auf der Basis des Flugzeuges IL-76MD-90 mit einem Superradar ausgestattet ist. Gemäß den im Projekt angegebenen Leistungsmerkmalen kann es Ziele in einer Entfernung von bis zu 600 Kilometern erkennen. Dafür müssen allerdings entsprechende Verstärker- und Computer-systeme, die in großer Entfernung eine riesige Menge an Funkwelleninformationen online verarbeiten können, an Bord installiert werden. Und damit haben die Russen, wie die indische Internetplattform „EurAsian Time“ feststellt, verursacht durch die amerikanischen Sanktionen, sehr große Probleme. Laut dieser Veröffentlichung wurden auch einige andere wichtige Projekte auf die Warteliste gesetzt. Der Termin für die Indienststellung der A-100 „Premier“ wurde ins Jahr 2024 verschoben, obwohl der erste Probeflug bereits 2017 stattfand. Es ist durchaus möglich, dass Russland noch lange auf seine veralteten AWACS A-50, angewiesen sein wird. Eine solche Veröffentlichung der indischen „EurAsian Time“ wirft natürlich einen großen Schatten auch auf andere russische Systeme, wie das Kampfflugzeug Su-57 und das S-500-Luftverteidigungssystem. Es besteht der Verdacht, dass die Situation in diesem Bereich viel schlimmer ist, als sich viele das vorstellen können.

Das A-100-AWACS-Flugzeug benötigt für die leistungsfähige Rechenelektronik, Chips und elektronische Bauelemente auf Basis von Galliumarsenid (GaAs) und Galliumnitrid (GaN). Diese Elemente werden auch als Grundlage der modernen elektronischen Halbleitertechnik bezeichnet. Um zu verstehen, was gemeint ist, ist es erforderlich, amerikanische Referenzmaterialien für militärische Elektronik anzuschauen. So erklärt zum Beispiel die „University Wafer-Website“, warum GaN-Technologien in US-Flugzeugen des Typs „Boeing E-3 Sentry“ verwendet werden: Für Radargeräte und Störsender ist die Hochfrequenzleistung von GaN-Bauelementen fünfmal höher als die mit Materialien früherer Generationen, einschließlich Silizium. Galliumnitrid-Transistoren können bei viel höheren Temperaturen und viel höheren Spannungen als Silizium-Transistoren betrieben werden. Es heißt, dass AWACS-Flugzeuge ohne GaN-Bauelemente, „Steinzeit“-Flugzeuge sind.

Aber auch hier bedarf es einer Erklärung. Die Amerikaner selbst sind dabei von der taiwanesischen Firma „WIN Semiconductors“ abhängig. Sie stellt 9,1Prozent aller Halbleiter auf Basis von Galliumarsenid her und kontrolliert 80 Prozent des GaN-Weltmarktes. Theoretisch könnte man auch GaAs-Bauelemente verwenden, die werden aber auch in Taiwan, hauptsächlich von „AWSC“ und „Wavetek“ produziert. Die Insel Taiwan ist zwar de jure Teil der VR China, was die USA anerkannt haben, doch sie ist sicherheitspolitisch von den USA abhängig und muss deren Sanktionsregime gegen Russland akzeptieren. Nach Aussagen der in Washington ansässigen Denkfabrik „Project 2049 Institute“, sind die Amerikaner bei GaAs- und GaN-Bauelementen, selbst rückständig, aber da Waffensysteme immer fortschrittlichere Chips erfordern, müssen sich die USA bei Halbleitern der neuen Generation auf Taiwan verlassen. Die Vereinigten Staaten haben somit alle Voraussetzungen, um sich mit den besten AWACS-Flugzeugen auszustatten.

In den letzten Jahren sind in der russischen wissenschaftlichen Literatur viele Berichte über Erfolge bei der Entwicklung von GaAs- und GaN-Elementen erschienen, gleichzeitig besteht jedoch eine große Lücke zwischen Labormustern und der Serienproduktion. Wenn gesagt wird, dass Russland überhaupt keine Nanoheterostrukturen auf Basis von Galliumarsenid herstellt, stimmt das allerdings nicht. In Russland gibt es zwei Standorte, an denen GaAs-Halbleiter hergestellt werden, allerdings auf importierten Anlagen. Die Hersteller versprechen, bis 2023 die Lücke von der Kleinserien- und Einzelfertigung zur Großserie von Festkörper-Elektronik-Bauelementen zu schließen.

Warum ist Russland so spät aufgewacht? Weil zu viel an die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung geglaubt wurde. Russland liefert Rohstoffe und erhält dafür Elektronik. Der Artikel „Status and Prospects of the Russian and World Gallium Market“ von Larichkin et al. stellt fest, dass Russlands Bedarf an Gallium im Jahr 2015 auf 8-10 Tonnen pro Jahr geschätzt wurde Und es wird erklärt, warum derzeit moderne Geräte wie Computer, Handys, usw. von Russland importiert werden müssen. Und da alles importiert wird, bedeutet das, dass die Technologien nicht rechtzeitig entwickelt wurden, während in den USA, Deutschland, China, Japan und anderen Ländern sogar staatliche Planungen dafür existieren.

Die meisten amerikanischen Unternehmen für die Entwicklung von Festkörper-Bauelementen werden neuerdings durch Militäraufträge finanziert, obwohl die USA problemlos taiwanesische oder japanische Mikroschaltkreise kaufen könnten. Der Grund ist, dass die amerikanischen Star-Unternehmen „Analog Devices“ und „Macom“, der deutsche Konzern „Infineon Technologies AG“, das niederländische Unternehmen „NXP Semiconductors“ und andere den Konkurrenzkampf in Bezug auf Preis und Qualität von elektronischen GaN-Elementen gegen den taiwanesischen Giganten „WIN Semiconductors“ verloren haben.

Zweifellos sind sich die Amerikaner des russischen Problems bewusst. Lange und schmerzhafte Anstrengungen sind in Russland erforderlich, um z. B. die Ausrüstung der A-100 auf ein Niveau zu bringen, das den neusten taktischen und technischen Anforderungen entspricht. Und das macht die Amerikaner überheblich, obwohl sie in Übersee, hinter vorgehaltener Hand, nicht glauben, dass die russische Elektronik zehn Jahre hinter der amerikanischen zurückgeblieben ist. Sie sind aber der Meinung, dass die Russen technologisch immer zu spät kommen.

Eines ist klar: Es muss eine unabhängige Untersuchung in Russland geben, um das Problem der Produktion von GaAs- und GaN-Technologien endgültig zu klären.


Das neueste russische Radarpatrouillen- und Kommandoflugzeug A-100. (Foto: Pressedienst des Konzerns Vega/TASS)

(Quelle: Sitnikow, A., Swobodnaja Pressa, 8.02.22, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

 

von Redaktion (Kommentare: 0)

Zurück

Einen Kommentar schreiben