Russische Stützpunktoptionen
Auf die Landkarte der NATO-Länder Europas setzen die Vereinigten Staaten „rote Fahnen“. Das sind gegen Russland gerichtete Standorte von Angriffswaffen, Raketenabwehrsystemen, Atomwaffensilos und US-Militärstützpunkte. Der Gegner steht für die Russen vor dem Tor ihres Landes. Das ist eine Tatsache. Kann Russland auch so nah an die Grenze der USA heranrücken? Diese Möglichkeit könnte es geben, indem es seine Waffen in Kuba und Venezuela stationiert.
Eine solche Variante war nicht nur in den Medien zu hören, sondern wurde auch vom stellvertretenden Außenminister Russlands, Sergej Rjabkow, nicht ausgeschlossen. Er äußerte sich in diesem Sinne nach dem Treffen mit Vertretern der USA und der NATO auf eine Frage von Journalisten des russischen Fernsehsenders RTV1. Bereits im Dezember letzten Jahres deutete der Diplomat an, dass die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten eine ähnliche Qualität wie vor der Karibikkrise von 1962 erreicht haben. Damals verlegte die Sowjetunion ihre nuklearen ballistischen und taktischen Raketen nach Kuba, in unmittelbare Nähe der US-Küste. So reagierte Moskau auf die Stationierung amerikanischer Jupiter-Mittelstreckenraketen in der Türkei im Jahr 1962. Viele sowjetische Städte lagen damals in der Zerstörungszone dieser NATO-Raketen.
Die Krise wurde durch den Abbau der sowjetischen Raketen auf Kuba gelöst, die Vereinigten Staaten hoben ihre Marineblockade gegen Kuba auf und stellten die Vorbereitungen für eine militärische Invasion der Insel ein. Einige Monate später wurden auch die Jupiter-Raketen aus der Türkei abgezogen.
Dieser Kompromiss zwischen Chrustschow und Kennedy löste in einigen Militärkreisen sowohl in der UdSSR als auch in den Vereinigten Staaten Unzufriedenheit aus. Doch so wurde ein weltweiter Atomkrieg verhindert. Zwischen Moskau und Washington wurde eine direkte Telefonleitung installiert – das „rote Telefon“.
Heutige Gerüchte, dass Russland beabsichtigt, auf seine ehemalige Militärbasis Lourdes auf Kuba und auch auf Cam Ranh in Vietnam zurückzukehren, gibt es seit mindestens fünf Jahren. Bereits 2016 äußerte der stellvertretende Verteidigungsminister der Russischen Föderation, Nikolai Pankov, die Idee, dass Russland zu diesen Militärstützpunkten zurückkehren sollte. Ob es Pläne des Verteidigungsministeriums dazu gibt, ist allerdings nicht bekannt. Es kam bisher nicht zur Schaffung vollwertiger Militärstützpunkte in Kuba oder Venezuela, wie das beispielsweise im syrischen Khmeimim passierte. Dennoch kommt es in den Vereinigten Staaten immer dann, wenn der Verdacht auf die Rückkehr russischer Militärs nach in Kuba besteht, zu Angstzuständen, Wutausbrüchen und Drohungen gegenüber Moskau. Der Sicherheitsberater des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Jake Sullivan, versprach, dass „Washington hart gegenüber Moskau reagieren wird, wenn Russland Truppen in Lateinamerika stationiert.“ Er erklärte dies bei einem Briefing im Weißen Haus. Daran ist zu erkennen, welche Angst die USA vor einer solchen Reaktion Russlands haben, die nichts anderes wäre als ein Ausgleich für die Maßnahmen der USA und der NATO in Europa gegen Russland.
So war es auch im Oktober 2019, als Dmitri Medwedjew, damals noch in der Funktion des russischen Ministerpräsidenten, Havanna besuchte. Die Amerikaner verdächtigten ihn sofort, sich mit dem Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, Raul Castro, verschworen zu haben, um ein russisches Militärkontingent auf Kuba einzusetzen. Medwedjew selbst wies diese Vermutungen jedoch zurück und sagte: „Lasst sie reden.“
Zuvor, im November 2018, kamen ebenfalls diesbezügliche amerikanische Befürchtungen nach dem Besuch des kubanischen Ministerpräsidenten Miguel Diaz-Canel in Moskau auf.
Sowohl das Pentagon als auch das US-Außenministerium waren sofort in Aufruhr, als im Februar 2020 der Oberbefehlshaber der russischen Marine, Admiral Nikolai Ewmenow, Kuba besuchte. Wie der offizielle Vertreter des russischen Marineministeriums, Igor Dygalo, damals berichtete, hatte Ewmenow „eine Reihe Treffen mit der Führung des Verteidigungsministeriums der Republik Kuba und besuchte auch verschiedene Einrichtungen und Einheiten der kubanischen Marine.“ Im Allgemeinen wurde der Zweck der Reise wie üblich von russischer Seite lakonisch kommentiert, ohne besondere Geheimnisse preiszugeben.
Es kann davon auszugegangen werden, dass der russische Admiral ein Interesse an einigen kubanischen „Marineobjekten“ hatte, da er sich ganze sechs Tage in Kuba aufhielt. Niemand hatte verheimlicht, dass der Besuch des Oberbefehlshabers der russischen Marine nicht nur den Fragen der Instandsetzung der kubanischen Marineschiffe galt. Auch über eine Modernisierung von Hafenanlagen, in die Schiffe und U-Boote der russischen Flotte zur Nachschubversorgung einlaufen könnten, wurde gesprochen.
Es sei daran erinnert, dass Atom-U-Boote und Kriegsschiffe der UdSSR-Marine seit den 1970er Jahren regelmäßig auf Kuba in der Tiefseebucht von Cienfuegos geankert haben. Und jetzt besteht höchstwahrscheinlich die Möglichkeit, den Hafen wieder für russische Atom-U-Boote, die im Golf von Mexiko und in anderen benachbarten Regionen des Atlantik im Einsatz sind, aufzurüsten. Man könnte über die Schaffung eines zweiten ausländischen Logistikzentrums für die russische Marine auf Kuba sprechen. Das Erste verrichtet seit vielen Jahrzehnten zuverlässig seinen Dienst in der syrischen Hafenstadt Tartus und ist eine der wichtigsten Säulen für die Stärkung der militärischen Präsenz Moskaus im Mittelmeer und im gesamten Nahen Osten. Und der Wunsch der russischen politischen und militärischen Führung, sich auf die gleiche Weise in der westlichen Hemisphäre ein Logistikzentrum zu schaffen, steht außer Zweifel. Besonders nachdem Washington willkürlich und einseitig den Vertrag über Stationierung von Mittelstreckenraketen in den Müll geworfen hat.
Neben dem maritimen Interesse an Kuba haben russische Militärs auch andere Pläne. In Lourdes, dem südlichen Vorort von Havanna, befindet sich seit den 1960er Jahren das sowjetische elektronische Geheimdienstzentrum. Dessen Hauptaufgabe war das Abhören von amerikanischen Kommunikationssatelliten und Telekommunikationsverbindungen der US-Marine und der NASA. Dieses Zentrum lieferte damals auch die Koordinaten für die Ziele der auf Kuba stationierten sowjetischen Raketen, die notfalls die gesamte Südküste der Vereinigten Staaten in wenigen Minuten erreichen konnten. Der Stützpunkt Lourdes wurde auf Betreiben der USA 2002 stillgelegt. Sein technischer Zustand wurde jedoch all die Jahre von russischen Spezialisten aufrechterhalten, obwohl nichts über diesbezügliche Vereinbarungen zwischen Russland und Kuba bekannt war. „Die Wiederbelebung der Basis in Lourdes ist eine Sache von wenigen Monaten“, sagt Militärexperte Vladislav Shurygin, „Die Station ist funktionsfähig, aber ihre Technik ist teilweise veraltet. Aber man kann dort schnell neue modernere Geräte installieren.
Wir sprechen noch nicht über russische Raketensysteme auf Kuba, sie werden dort einfach noch nicht benötigt. Aber die neuen russischen Eloka-Spezialausrüstungen, die jetzt im Einsatz sind, können die Vereinigten Staaten absolut wehrlos gegen russische Waffen machen. Sie sind wie eine „Wanze“ im Oval Office des Weißen Hauses, die es ermöglicht, alles im Voraus zu wissen.“
(Quelle: Sokirko, V., Swobodnaja Pressa, 14.01.22, redaktionell bearbeitete Übersetzung)
von Redaktion (Kommentare: 0)
Einen Kommentar schreiben