Maritimes NATO Manöver

Im schleswig-holsteinischen Glücksburg befindet sich seit Januar 2019 die Operationszentrale des German Marine Forces Staff (DEUMARFOR). Der Einsatzstab soll maritime Operationen an der Nordflanke der NATO, insbesondere in der Ostseeregion, planen und führen. Nach Informationen der Zeitschrift LOYAL (11/2019, S.12ff) kann der mit einhundert Mann besetzte Gefechtsstand bei Bedarf auf 180 Soldaten aufgestockt werden. Hintergrund für die Schaffung dieser Führungsstruktur ist das Bestreben der NATO, im Konfliktfall Russlands operative Möglichkeiten in der Ostsee blockieren zu können. Dieser Ernstfall wird durchgespielt: Unter deutschem Kommando wurde vom 3. bis 18. September von Glücksburg aus das Manöver „Northern Coasts“ geführt, an dem sich Marine-Kräfte aus 18 NATO- und EU-Staaten beteiligten. Trainiert wurde die Freihaltung der Ostseezugänge, die im Kriegsfall mittels Minen blockiert werden könnten. Zum Einsatz kamen sieben Fregatten und Korvetten, zwei Schnellboote, drei Minenlegeschiffe, 20 Minenabwehrboote, ein U-Boot, 15 Versorgungsschiffe und 12 Hubschrauber und Flugzeuge. Das Manöverszenario ging davon aus, dass eine auf der Insel Bornholm lebende fiktive Minderheit die Abspaltung von Staat A betreibe, um sich Staat B anschließen zu können. Die Sezessionsanhänger würden dabei von Staat B unterstützt. Die eingesetzten NATO-Kräfte sollten die Situation militärisch durch Operationen im küstennahen Umfeld „stabilisieren“. Ein nach Auskunft beteiligter NATO-Offiziere völlig fiktiver Manöveransatz, der nicht gegen einen konkreten Staat gerichtet sei. Doch dieses Übungsszenario bediente faktisch die seit 2014 stetig zunehmende Bedrohungsrhetorik in den baltischen Staaten, die Moskau der Vorbereitung eines hybriden Krieges unter Instrumentalisierung der in diesen Ländern lebenden russischsprachigen Minderheiten verdächtigen. Dafür gibt es zwar keine belastbaren Belege, doch kommunikationspolitisch erfüllen diese Vorwürfe ihren Zweck. Die NATO wird mit diesem Argument zu stärkerem militärischen Engagement in der Region animiert, die Bedeutung der baltischen Länder als „Frontstaaten“ an der Außengrenze des Bündnisses wird betont und die westlichen Mitglieder der NATO werden diszipliniert. Die in diesem Kontext stattfindenden Manöver sind Teil der Legitimationsstrategie für die Umorientierung auch der Bundeswehr auf die „Landes- und Bündnisverteidigung“. Auffällig ist, dass nicht nur die baltischen Staaten und Polen einer intensiven Vorbereitung auf einen militärischen Konflikt mit Russland das Wort reden, sondern dass auch Schweden und Finnland militärpolitische Maßnahmen ergriffen haben, die in diese Richtung zielen. So betreibt etwa Finnland derzeit mit US-Unterstützung ein ambitioniertes Programm zur Modernisierung und Erweiterung seiner Marine. Schweden hat die Wehrpflicht wieder eingeführt, alte Kommandobunker aus der Zeit des Kalten Krieges reaktiviert und publizierte in einer Auflage von 4,8 Millionen Exemplaren eine Broschüre mit dem Titel „Be prepared for war“, mit deren Hilfe sich die schwedischen Bürger auf einen möglichen Kriegsfall vorbereiten sollen. Beide Staaten sind regelmäßig in NATO-Manöver in der Region eingebunden.

von Redaktion (Kommentare: 0)

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