Krieg in der Ukraine und der Paradigmenwechsel in Deutschland

Im Artikel „Zum Krieg in der Ukraine“ vom 06.04.2022 haben wir auf die Sichtweise des amerikanischen Analysten Friedman, Thinktank STRATFOR, Pressekonferenz Februar 2015, und die für US-Strategen immer bestehende Fragestellung, „Wie wird sich Deutschland verhalten“ hingewiesen. Er führte dort weiter aus: „Die Urangst der USA ist, dass sich deutsches Kapital und deutsche Technologien mit russischen Rohstoffen und russischer Arbeitskraft verbinden – eine einzigartige Kombination -, vor der die USA seit Jahrhunderten eine Höllenangst haben. Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse war sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt.“

Hier wird deutlich, welches Gewicht die US-Administration der Rolle Deutschlands für militärische Entwicklungen in Europa, auch für den Kriegsfall, beimisst. Die Haltung Deutschlands ist demnach für die US-Administration nicht nur für den Verlauf des Krieges in der Ukraine, sondern für die Frage Krieg/Frieden generell in ganz Europa von entscheidender Bedeutung. Bringen wir es auf den Punkt: Die Positionierung Deutschlands entscheidet über Krieg und Frieden in Europa. Ohne Deutschland gibt es in Europa keine Kriegseskalation! Diese Erkenntnis und die damit verbundene Verantwortung scheint vielen Politikern nicht bewusst zu sein.

Die Rolle Deutschlands resultiert nicht nur aus einer langen Tradition deutsch-russischer Beziehungen, sondern auch aus der besonderen historischen Verantwortung insbesondere gegenüber dem russischen und dem jüdischen Volk im und nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Bedeutung ergibt sich darüber hinaus aus der zentralen geographischen Lage, der Wirtschaftsmacht und der Bevölkerungszahl. Die letzten deutschen Bundesregierungen (Merkel/Schröder/Kohl) haben die Leitlinie berücksichtigt und der besonderen Verantwortung der Deutschen, mehr oder weniger, Rechnung getragen. Damit waren die Deutschen immer eine unbekannte Variable für die amerikanische Politik in Europa. Die Anerkennung der ostukrainischen Republiken Luhansk und Donezk sowie die im Februar 2022 begonnene militärische Intervention Russlands in den seit 2014 andauernden Bürgerkrieg der ukrainischen Regierung gegen die Separatisten im Donbass wurde für den Wechsel in der deutschen Politik und die Abkehr von den bis dahin geltenden Paradigmen genutzt.

Die Transatlantiker haben übernommen. Und das Drehbuch wird in Washington geschrieben!

Das Transatlantik-Netzwerk (https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantiker) verfolgt das Ziel, die Vorherrschaft der USA gegenüber Westeuropa und der Welt zu sichern, die sich abzeichnende Neuordnung der Welt zu verhindern. Dazu formulierten sie drei Zielstellungen:

  1. Verhindern, dass Deutschland und Russland zusammengehen.
  2. Die Inbetriebnahme von Nordstream2 stoppen.
  3. Westeuropa wirtschaftlich schwächen, die Abhängigkeit von den USA manifestieren und militärisch gegen Russland aufstellen.

Diese Ziele wurden aktuell erreicht. Deutschland ist auf einen Konfrontationskurs zu Russland gegangen, die Inbetriebnahme von Nordstream2 wurde verhindert und der Abbruch der Handelsbeziehungen sowie die Embargomaßnahmen schwächen, ausgenommen die Rüstungsindustrie, die deutsche Wirtschaft und führen zu einer komplexen Abhängigkeit von den USA. Deutschland wurde mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten sowie der Lieferung von Waffen nach einigen Auslegungen des Völkerechtes bereits selbst zum Kriegsteilnehmer und am 21.06.22 erklärte der SPD-Chef Lars Klingbeil in seiner Rede auf der Tiergartenkonferenz der F. Ebert Stiftung, dass Deutschland den Anspruch einer Führungsmacht haben muss und militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen ist. Eine neue Eskalationsstufe, und die Kriegsspirale dreht sich, nun dynamisiert durch Deutschland, immer schneller!

Der CDU-Vorsitzende F. Merz erklärte in einem TV-Interview, dass mit dem Krieg in der Ukraine die Auseinandersetzung zwischen den Demokratien und den autokratischen Systemen (der Kampf des Westens gegen den Osten) begonnen hat. Die EU-Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen hat diese Aussage Tage später auf der EU-Ratstagung wiederholt. Politiker aus unterschiedlichen Lagern sprechen davon, dass wir uns in einer epochalen Zeitenwende befinden. Diese Aussagen verdeutlichen die Dramatik und die Brisanz der Situation, auf die sich die Menschheit zubewegt.

Der globale Krieg hat begonnen! Es zeichnet sich eine Entwicklung weg von der unipolaren Weltordnung unter Führung der USA hin zu einer multipolaren Weltordnung unter gleichberechtigten Staaten ab. Die USA/Westeuropa reagieren auf solche Entwicklungen, haben den „Eisernen Vorhang“ an der Ostgrenze der NATO abgesenkt, den neuen Kalten Krieg mit dem Paradigmenwechsel eingeleitet, sichern autonome Lieferketten und haben eine nie dagewesene Aufrüstung begonnen, die auf die Verhinderung allen unabhängigen Agierens in der Welt ausgerichtet ist. Entgegen aller Sanktionen und Drohgebärden gehen aber die asiatischen Staaten, auch Afrika und Südamerika eigene Wege und positionieren sich gegen die westliche „Interessen- und Wertegemeinschaft“. Es geht letztlich um nicht weniger als den strategischen Konflikt USA-China, um die neue/alte Weltordnung, aus welcher Perspektive auch immer man es betrachtet. In diesen Kontext ist auch der Krieg in der Ukraine einzuordnen.

Die Vorbereitungen laufen unübersehbar weltweit, die Gruppierungen stellen sich auf. Globale Aufrüstungen, globale Positionierungs- und Blockbildungsprozesse sowie die Bildung neuer globaler Wirtschaftsunionen kennzeichnen unsere Gegenwart. Bisherige Axiome haben ihre Gültigkeit verloren und diplomatische Umgangsformen werden nicht mehr gepflegt.

Das Überleben der Menschheit, die Frage weltweiter Krieg oder Frieden wird nicht irgendwann, sondern in diesem Jahrhundert entschieden. Vielleicht müssen wir erst am Abgrund stehen, um uns zu ändern, den vernünftigen Weg zur Sicherung unserer Existenz, zur Lösung aller globalen Menschheitsprobleme mit friedlichen Mitteln, einschlagen zu können. Wir sind dazu fähig!

von Redaktion (Kommentare: 0)

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