Europäische Aufrüstung
Panzer Leopard 2-A7, Quelle: Bildarchiv TvNVA - 2020
Die militärpolitische Strategie der Europäischen Union und der NATO, sich auf einen Krieg gegen Russland vorzubereiten, verbessert die Marktchancen und Renditeerwartungen europäischer Rüstungsschmieden ganz erheblich. Denn die Unternehmen können dadurch nicht nur von einer Umsatzerhöhung bei bereits entwickelten Waffensystemen ausgehen. Vielmehr profitieren sie erheblich von ambitionierten Rüstungsprojekten wie dem sogenannten Landkampfsystem (Main Ground Combat System, MGCS), also dem europäischen Kampfpanzer der Zukunft. In diesem Waffensegment dominieren traditionell die deutschen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG (KMW), die Rheinmetall AG sowie die französische Panzerschmiede Nexter Systems. Weil der deutsche Kampfpanzer Leopard 2 und auch der französische Leclerc-Panzer in die Jahre gekommen und die Grenzen immer neuer Modernisierungen und Modifikationen beider Systeme weitgehend ausgereizt sind, soll nun ein Nachfolgemodell entwickelt werden. Und der operativ-taktische Hintergrund liegt auf der Hand: Kampfpanzer mit der modernsten technischen Ausstattung benötigt man kaum für Out-of-area-Einsätze in Ländern der sogenannten Dritten Welt, sondern für weiträumige Bodenoperationen in Europa. Und weil die Entwicklungskosten für ein solches Waffensystem sehr hoch sind, haben sich die drei Unternehmen zu einem Konsortium mit der Bezeichnung ARGE MGCS zusammengeschlossen, das im Dezember 2019 vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) im Auftrag der deutschen und der französischen Regierung mit dem Projekt betraut wurde. Im Rahmen eines Industrievertrages zur Erarbeitung der „System Architecture Definition Study – Part 1“ (SADS Part 1) sollen die Systemparameter des gemeinsam zu entwickelnden Kampfpanzers endgültig definiert werden. Technische Machbarkeit, Zeitplanung, Einsatzanforderungen der Bundeswehr und der französischen Armee sowie die Kompatibilität zu den jeweiligen Feldführungssystemen sollen Gegenstand der Studie sein. 15 Millionen Euro lässt sich das Bundesamt diese Projektstudie kosten. Die Projektarbeiten teilen sich im Rahmen dieses Vertrages Deutschland und Frankreich, wobei Deutschland als Leitnation fungiert. Bis 2024 soll die Technologiedemonstrationsphase abgeschlossen sein, die den Steuerzahler 370,5 Millionen Euro kosten soll. Daran schließt sich die Demonstrationsphase an, in deren Verlauf Funktionsmuster des neuen Systems gefertigt und getestet werden sollen. Dafür sind noch einmal 375,8 Millionen Euro vorgesehen. 2028 sollen die Abnahmeprüfung und die Nutzungsgenehmigung für die Verwendung in der Truppe erfolgen. Die Zuführung in die Streitkräfte ist ab 2035 vorgesehen. Knapp 750 Millionen Euro haben also die Steuerzahler in Deutschland und Frankreich nur für die Entwicklung des Panzers aufzubringen, wobei erfahrungsgemäß der Kostenrahmen bei solchen Rüstungsprojekten immer deutlich überschritten wird und der militärische Wert fraglich ist. Doch das Projekt entspricht dem Mitte Februar 2020 von der Bundesregierung verabschiedeten „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“, in dem die stärkere Integration der europäischen Rüstungsindustrie gefordert wird. Geteilte Entwicklungskosten, ein größerer Markt und damit höhere Produktionszahlen sowie die verbesserte Kompatibilität der verschiedenen europäischen NATO-Armeen sind Vorteile, die man in Berlin bei solchen gemeinsamen Projekten erwartet. Darüber hinaus ergeben sich für deutsche Hersteller unter Umständen indirekte Exportmöglichkeiten, die nach deutscher Gesetzeslage bislang eingeschränkt waren. Im Kern haben solche Projekte zum Ziel, eine Überlegenheit über den erkannten Feind zu gewinnen.
Die Kriegsspirale dreht sich weiter.
von Redaktion (Kommentare: 0)
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