Die russische Drohne "Ochotnik"

Das Versagen bei der Einführung von Drohnen in den russischen Streitkräften ist offensichtlich – der Rückstand bei der Produktion ist dementsprechend groß. Drohnen gibt es zurzeit in Russland nur wenige. Ein erster Erfolg war die in Dienst gestellte Serie von „Orion“-Aufklärungsdrohnen. Das kann als Durchbruch bezeichnet werden. Zur gleichen Zeit, als Russland gerade begann, Drohnen herzustellen, haben die USA und China bereits mit der Modernisierung ihrer Drohnen begonnen. Die russische Hoffnung ist nun die Drohne S-70 „Ochotnik“ (Jäger), ein hochintelligenter Killer am Himmel, der ohne menschliches Eingreifen seine Opfer selbst auswählt.

Die russische Armee, einschließlich ihre Luftwaffe und Raumfahrtstreitkräfte, ist ziemlich konservativ. Alle innovativen Veränderungen kommen nur mit großen Schwierigkeiten voran. Die Makarow-Pistole ist das Beispiel, sie befindet sich noch jetzt im Holster vieler Armeeoffiziere. Die Flieger-Generäle verliebten sich zum Beispiel in zweimotorige Jagdflugzeuge, Kampfflugzeuge und Bomber, so dass es heute, trotz der recht erfolgreichen MiG-21, überhaupt keine einmotorigen Jagdflugzeuge in der russischen Luftwaffe mehr gibt. Bei Drohnen gab es ungefähr das gleiche Bild – sie wurden einfach nicht als Waffe akzeptiert. „Ein Flugzeug ohne Piloten ist kein Flugzeug, das geht nicht.“ Damit haben die russischen „Luftfahrt-Marschälle“ die Möglichkeiten für die Entwicklung von Drohnen im Keim erstickt. Nicht aus Bosheit, nur hatte jeder seine eigenen Vorstellungen von der Entwicklung der Kampffliegerei, in die Drohnen in keiner Weise hineinpassten.

Wer von den letzten Kommandeuren der Luft- und Raumfahrtstreitkräfte ist was geflogen und hat welche Beziehungen zur Luftfahrt?

Armeegeneral Pjotr Deinekin (1992−1998) bevorzugte Langstreckenflugzeuge, Armeegeneral Anatoly Kornukow (1998-2002) war ursprünglich ein Jagdflieger. Armeegeneral Vladimir Michailow (2002−2007) bevorzugte Jagdbomber und Kampfflugzeuge. Generaloberst Alexander Zelin (2007-2012) war professioneller Kampfpilot. Generaloberst Viktor Bondarew (2015−2017) – Absolvent der Militärfliegerschule Borisoglebsk – bevorzugte strategische Bomber. Er steuerte persönlich während der Militärparade auf dem Roten Platz am 9. Mai 2015 einen Überschallbomber vom Typ Tu-160. Generalleutnant Pawel Kuratschenko, der 2017 zwei Monate lang die Luft- und Raumfahrtstreitkräfte kommandierte, war vom Profil her Luftverteidigungsoffizier. Der derzeitige Oberbefehlshaber der Luft- und Raumfahrtstreitkräfte, Armeegeneral Sergej Surowikin, ist Absolvent der Militärakademie für kombinierte Waffen in Omsk, hat sich in verschiedenen Positionen in der Armee zum Kommandeur des östlichen Militärbezirks entwickelt und kommandierte die russischen Truppen in Syrien.

Sie alle sind geehrte militärische Führer, die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau und der Entwicklung der russischen Luftwaffe geleistet haben. Aber Drohnen, die die Kampffähigkeit der Luftwaffe erhöhen, die passten nicht in ihr Konzept. Daher der Rückstand auf diesem Gebiet gegenüber anderen Armeen.

Auch wegen der Hyperschallhysterie stand Russland bei Drohnen auf der Liste der Außenseiter. Heutzutage hört man viel über die türkische „Bayraktar“, eine sehr mittelmäßige Drohne im Vergleich zur amerikanischen „Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk“ (15 Tonnen Startgewicht) oder der kleineren, aber moderneren „MQ-9 Reaper“. Doch nun ist Russland, das bekanntlich lange zum Aufwachen braucht, bereit, eine Drohne vorzustellen, die ihre Konkurrenten übertreffen soll. Die Rede ist vom „Ochotnik“ einem Hightech-System mit erstaunlichen Fähigkeiten.

„Ochotnik“ wurde im PJSC „Suchoi- Konstruktionsbüro“ entwickelt. Der Erstflug fand bereits am 3. August 2019 statt. Seit 2009 befassten sich die Konstrukteure mit Plänen für eine Drohne dieser Klasse, aber die Zustimmung zu der Entwicklung und der Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums dazu kamen sehr viel später.

Viel ist über die Drohne nicht bekannt. Der aktuelle Prototyp ist eine Drohne mit einer Flachstrahldüse, die es ermöglicht, die gegnerische Radaraufklärung weitgehend zu täuschen. Ochotnik ähnelt äußerlich dem amerikanischen B-2-Bomber, der nach der aerodynamischen Form „Flying Wing“ mit „Stealth-Technologie“ entwickelt wurde.

Alle bisher genannten technischen Parameter kommen aus dem Reich der Vermutungen. Das betrifft sowohl die Größe als auch die Leistungsmerkmale und die Bewaffnung des „Ochotnik“. Die Drohne soll sowohl als Angriffsdrohne (Startgewicht 20 Tonnen, einschließlich Bomben und Raketen) als auch als Jäger ausgelegt werden, was aufgrund ihrer Manövrierfähigkeit einige Zweifel aufkommen lässt, da sie bei Tests gegenüber russischen Jagdflugzeugen unterlegen war. Die Drohne soll auch als Langstrecken-Luftaufklärungsflugzeug eingesetzt werden können.

Im Flugzeugwerk „Schkalow“ in Nowosibirsk wurde nun das erste Modell der Angriffsdrohne dem stellvertretenden Verteidigungsminister vorgestellt. „Ochotnik“ war bereits vorher schon in der Luft und hat sogar mit dem Jagdflugzeug der fünften Generation, einer Su-57, gemeinsame Aktionen geübt. Die die bereits erfolgte Erprobung von Luft-Luft-Raketen der Drohne deutet darauf hin, dass eines ihrer Ziele die Zerstörung feindlicher Flugzeuge sein kann. Aber auch bei großer Entfernung vom  Heimatflugplatz braucht „Ochotnik“ eine Zielzuweisung, die sich aus der Luftlage ergibt. Die Taktik, die Drohne zusammen mit der Su-57 zu verwenden, ist wahrscheinlich eine Einsatzmöglichkeit. Die Zielzuweisung und Steuerung kann dann von der Su-57 erfolgen und somit ist die Drohne eine Fernwaffe für den Einsatz hauptsächlich gegen feindliche Flugzeuge.

Bei einer Luftwaffenübungen im Sommer 2020 wurde über Tests mit der Su-57 berichtet. Es hieß, dass eine besondere Taktik dieses Jägers im Zusammenwirken  mit einem „Schwarm“ von Su-35-Jägern ausgearbeitet werde. Die Su-57 fungierte als Führungs- und Leitflugzeug, das anhand seiner von verschiedenen Sensoren gewonnenen Daten die verfügbaren Informationen in Echtzeit mit dem „Schwarm“ austauschte und diesen zu verschiedenen Zielen dirigierte, einschließlich Luftzielen. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Schema speziell für die Drohne „Ochotnik“ ausgearbeitet wurde. Zukünftig könnte ein Schwarm solcher Drohnen einer Su-57 zugeordnet werden, die alle Aktionen der Drohnen koordinieren wird. Wird eine Drohne abgeschossen, ist der Verlust nicht so groß wie beim Tod der Piloten.

Der russische  Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat die Hoffnung geäußert, dass bis 2022 die Arbeiten am „Ochotnik“ abgeschlossen werden und ein langfristiger Vertrag für die Lieferung an die Streitkräfte zustande kommt.

Die S-70 „Okhotnik“ ist nicht die einzige Entwicklung der russischen Flugzeugindustrie. Es sind auch Tests einer Drohne des Kasaner Unternehmens „Altair“, des Konstruktionsbüros „Bureau Simonow“, bekannt. Sie soll die russische Antwort auf die amerikanische Entwicklung der Aufklärungsdrohne „RQ-4 Global Hawk“ werden. Mit einer Startlast von bis zu zwei Tonnen ist sie in der Lage, 10.000 Kilometer zu fliegen, auf eine Höhe von 12 Kilometern aufzusteigen und fast zwei Tage lang autonom aufzuklären. Etwas bescheidener wirken die russischen Drohnen „Orion“, „Forpost“ und einige andere. Über die Möglichkeit, diese Drohnen an das  „Luftkontrollzentrum“ einer Su-57 anzupassen, ist nichts bekannt, theoretisch können sie aber nicht nur vom Boden aus, sondern auch von einem Jagdflieger koordiniert und gesteuert werden. Das Verteidigungsministerium schenkt nun der Drohne „Ochotnik“ wegen ihrer technischen Eigenschaften und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, große Aufmerksamkeit.

(Quelle: Sokirko, V., Swobodnaja Pressa, 5.12.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

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