Die Luftwaffe der Taliban

Die Taliban haben zur Machtergreifung in Afghanistan hauptsächlich „Dschihad-Mobile“ eingesetzt (zumeist Geländewagen mit auf der Pritsche installierten Waffen) sowie Fahrzeuge, die von den Regierungstruppen zurückgelassen wurden.

Jetzt haben sie eine Luftwaffe. Dabei handelt es sich nicht nur Transportflugzeuge und Hubschrauber, sondern auch um Kampfflugzeuge, was ihr militärisches Potential deutlich erhöht. Der Fernsehsender Al-Arabiya berichtet unter Berufung auf eine Quelle der Taliban-Bewegung von mehreren amerikanischen Militärflugzeugen, Hubschraubern und Lenkflugkörperm. Das missfällt nicht nur dem bewaffneten Widerstand der Stammesfürsten im Pantshir-Tal unter Ahmad Masud, sondern auch den Nachbarländern Afghanistans.

Aber nach der Meinung des US-Militärs sind es nur wenige Flugzeuge, die die Taliban „geerbt“ haben. Und sie gehören nicht zu den modernsten Mitteln der Luftkriegführung. Zudem gebe es unter den Taliban keine Piloten, die Flugzeuge und Hubschrauber fliegen können. Und sie wissen nicht, wie man Hubschrauber und Flugzeuge am Boden wartet. Die USA erklären beruhigend, dass das Problem, wenn notwendig, mit einer Operation der US-Luftwaffe gelöst werden könne. Doch das ist eine erneute Fehleinschätzung der US-Militärs.

Die Taliban haben sowohl Piloten als auch Techniker. Genauer gesagt, sie wurden gerade von der regulären afghanischen Armee übernommen. Die Taliban besetzten mit Leichtigkeit die Luftwaffenstützpunkte in Kunduz, Kandahar und Herat, da die Regierungstruppen nicht nur keinen Widerstand leisteten, sondern zum großen Teil auch auf ihre Seite übergingen.

Der Luftwaffenstützpunkt Bagram, die wichtigste Hochburg der Vereinigten Staaten, wurde nicht einmal von den Taliban eingenommen, sondern einfach nur besetzt, da sich niemand mehr auf der Basis befand. Die Amerikaner vermuteten schon lange, dass die afghanischen Piloten bereit waren, auf die Seite der Taliban überzugehen. Dies machte sich an der mangelnden Motivation des Personalbestandes bemerkbar. Der Kampfwert der afghanischen Luftwaffe war gering. Bei Einsätzen warfen afghanische Piloten aus Angst vor Flugabwehrfeuer Bomben wahllos ab, egal wo und wen sie trafen. Und wenn es nicht genügend Luftfahrtspezialisten gibt, wird Pakistan, das seit langem mit den Taliban kooperiert, sicher zur Hilfe kommen. In Pakistan gibt es genügend Piloten und Techniker, die die amerikanische Technik perfekt beherrschen.

Zu Beginn der 2000er Jahre, als die Vereinigten Staaten begannen, die afghanische Luftwaffe neu aufzubauen, gab es noch unbedeutende Bestände sowjetischer Flugzeuge. Es gab 15 sowjetische Transport- und Kampfhubschrauber Mi-17 (Exportmodifikation der Mi-8MT) mit einem Vorrat an ungelenkten Raketen. Russland verkaufte bis zum Jahr 2014 diese Hubschrauber zusammen mit Waffen an Afghanistan und ihre Anzahl wurde auf vier Dutzend erhöht. Einige von ihnen wurden in den letzten Wochen von afghanischen Piloten heimlich entwendet und nach Usbekistan geflogen. Es gab acht sowjetische Mi-35-Hubschrauber (Exportmodifikation der Mi-24). Einige von ihnen gelangten in die Hände Taliban.

Aber die Hauptkräfte der neuen afghanischen Luftwaffe wurden von den Amerikanern ausgerüstet. Sie handelten auf der Grundlage von zwei Prinzipien. Erstens sollten die Flugzeuge nicht neu sein. Sie wurden aus den Lagern genommen und etwas modernisiert. Zweitens, durfte nichts Neues geliefert werden, was den Russen oder Chinesen in die Hände fallen könnte. So sollte technisches Know How geschützt werden. Deshalb wurde z.B. der Kampfhubschrauber AH-64 Apache nicht an Afghanistan übergeben.

Bei der Bewertung der afghanischen Luftflotte ist zu berücksichtigen, dass es neben der Luftwaffe auch Sonderluftstreitkräfte gab, deren Zusammensetzung nicht bekannt gegeben wurde. Daher wird die Liste der von den Taliban erbeuteten Flugzeuge unvollständig sein.

Zunächst wurden mehrere Helikopter-Veteranen des Vietnamkrieges, z.B. der UH-1H Irokese eingeführt, um die sowjetischen Hubschrauber zu ersetzen. Diese begannen jedoch aus Altersgründen auf dem Boden auseinander zu fallen. Daher nahmen die Amerikaner dann den moderneren UH-60 Black Hawk auch aus Lagerbeständen, der mit AGM-114 Hellfire-Panzerabwehrraketen und 30-mm-Kanonen bewaffnet ist. Insgesamt wollten die Amerikaner 150 dieser Hubschrauber einsetzen, aber schließlich waren es nur 100.

Als Ersatz für die sowjetische Mi-35 wurde der leichte Kampfhubschrauber MD Helicopters MD530F Cayuse Warrior eingeführt. Seine Waffenlast ist geringer als die der Mi-35, etwa eine Tonne, aber seine anderen Eigenschaften sind besser. Er ist agiler und besser geschützt durch Verbundpanzerung. Und er ist kleiner, was besonders in bergigem Gelände nützlich ist. Er verfügt über eine fortschrittlichere Avionik und ein Glascockpit. In Bezug auf die Treibstoffeffizienz übertrifft er den Mi-35 deutlich und verbraucht nur 90 Liter Treibstoff pro Stunde statt 770. In Afghanistan gibt es etwa vierzig solcher Hubschrauber.

Lange Zeit wurde ein leichtes Kampfflugzeug für Afghanistan gesucht und sogar eine Ausschreibung durchgeführt. Gesiegt hat das brasilianische Turboprop-Flugzeug Embraer A-29 B Super Tucano. Vor allem, weil es bei Operationen gegen kolumbianische Guerillas und Drogenbosse gut abgeschnitten hat. Das Flugzeug ist erst seit 15 Jahren im Einsatz. Es hat eine hohe Überlebensfähigkeit, einen Kampfradius von 550 km bei einer Waffenzuladung von 1,5 Tonnen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 600 km/h und die Flugdauer acht Stunden. Die Maschine startet und landet auf jedem beliebigen Feldflugplatz mit relativ horizontaler Oberfläche. Die Bewaffnung umfasst Gleitbomben, Streubomben, lasergelenkte 70-mm-Raketen, vier großkalibrige Maschinengewehre und eine 20-mm-Kanone. In Afghanistan befanden sich 30 Kampfflugzeuge vom Typ A-29 B Super Tucano.

Außerdem gibt es fünf leichte italienisch-amerikanische Transportflugzeuge des Typs C-27A Spartaner mit einer Nutzlast von 11,5 Tonnen. Jede Maschine kann 60 Soldaten oder 45 Fallschirmjäger transportieren. Zudem waren in Afghanistan vier gebrauchte C-130H Hercules im Einsatz. Jedes Flugzeug trägt bis zu 19 Tonnen Nutzlast und bietet Platz für 72 Soldaten oder 64 Fallschirmjäger. Hinzu kommt noch ein sehr leichtes Mehrzweckflugzeug, die Cessna 208 Caravan. Dessen Tragfähigkeit erreicht 1,5 Tonnen. 44 Stück waren im Bestand der afghanischen Streitkräfte. Einige von ihnen sind mit Maschinengewehren ausgestattet.

Nachdem in den letzten Woche mehrere Hubschrauber und Flugzeuge nach Usbekistan entführt wurden, verblieb den Taliban folgender Bestand:

  • 23 Transport- und Kampfhubschrauber Mi-17;
  • 93 Kampfhubschrauber UH-60 Black Hawk;
  • 40 Kampfhubschrauber MD530F:
  • 24 Kampfflugzeuge A-29 B Super Tucano;
  • 5 Transportflugzeuge vom Typ C-27A;
  • 39 leichte Transportflugzeuge Cessna 208;
  • 4 Transportflugzeuge С-130Н Hercules.

In den Lagerhallen befinden sich frei fallende und gleitende Bomben, luftgestützte Panzerabwehrraketen, ungelenkte Raketen, Geschosse für Flugzeugkanonen und Munition für Maschinengewehre. Niemand hat sie von dort „evakuiert“. Nicht einmal manches osteuropäische oder baltische NATO-Mitglied hat eine so schlagkräftige Luftwaffe. Und all das kann, wie oben erwähnt, gegen die Rebellen im Pantshir-Tal und auch für Provokationen gegen Nachbarländer verwendet werden. Und es wird den USA nicht leicht fallen, das alles zu bombardieren, denn dieses Potenzial ist auf verschiedene Stützpunkte verteilt.

(Quelle: Tuchkov, V.: Swobodnaja Pressa, 24.08.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

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