Der US-Flugzeuträger "Gerald Ford" und die russische Marine
Das „US Naval Institute“ (USNI) hat bekannt gegeben, dass der US-Flugzeugträger „Gerald Ford“ auf seinen ersten Einsatz im Jahr 2022 vorbereitet wird. Das Riesenschiff hatte am 20. August 2021 den Hafen von Norfolk verlassen und war zur „Newport News-Werft“ überführt worden, wo es innerhalb von sechs Monaten endgültig fertiggestellt werden soll. Wenn es keine weiteren technischen Probleme gibt, wird die „Gerald Ford“ mit einer Verzögerung von vier Jahren nun in Dienst gestellt. Jetzt wird das Begleitkommando, die „12. Aircraft Carrier Strike Group“ (AUG) gebildet, die von dem Flugzeugträger, der 13 Milliarden US-Dollar kostete, angeführt wird. Die Kampfkraft der trägergestützten US-Marineluftwaffe soll damit um rund ein Drittel erhöht werden.
Nach Aussage der US-Navy soll der Flugzeugträger anstelle eines Dampfkatapults ein neues elektromagnetisches Katapult und eine verbesserte Flugzeugfanganlage haben. Das sind die wichtigsten Innovationen. USNI räumte jedoch unter Berufung auf Gregory Huffman, den Kommandanten der 12. AUG, Probleme mit den neuen Aufzügen ein, die die Flugzeuge minutenschnell an Deck bringen sollen. Wie die Ergebnisse der Sommertests des Flugzeugträgers belegen, sind diese technischen Schwierigkeiten mittlerweile behoben.
Die Amerikaner prahlten damit, neben dem Rumpf des Flugzeugträgers, im Meer, 18,5 Tonnen Sprengstoff in die Luft gejagt zu haben, was dem Schiff keinerlei Schaden zugefügt habe – es schwankte nur leicht. Es stimmt, dem Schiff geschah nichts, aber alle Radaranlagen fielen aus und es wurde ein Software-Neustart erforderlich. Aber Huffman denkt, dass dies das kleinere Übel ist und schnell behoben werden kann.
Nach Aussagen ausländische Politiker und Analysten wird die „Gerald Ford“ an der chinesischen Front eingesetzt. Der Kommandant der 12. AUG wiederum ist nicht so offen, er ist der Meinung, „wir fahren dorthin, wohin sie uns schicken werden...“. Er schließt jedoch nicht aus, dass der Pazifik sein mögliches Einsatzgebiet sein könnte.
Für die Vereinigten Staaten gibt es eigentlich keinen schrecklicheren Gegner zu Wasser als die chinesische Flotte. Umso unerwarteter war die Veröffentlichung eines Experten der militäranalytischen Website „19fortyfive“, Stavros Atlamazoglu, der davon überzeugt ist, dass nur die Schiffe der russischen Marine der US-Marine großen Schaden zufügen können. Er schreibt: „Moskau verfolgt seit vielen Jahren ein Programm zur Modernisierung seiner schrumpfenden Marine. Deren Zahl auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung, zu Zeiten der Sowjets, etwa 650 Schiffe betrug.“
Auf den ersten Blick scheint es, dass die Amerikaner heute auf hoher See stärker als die russische Marine sind (ausgenommen die russische Marineluftwaffe, Küstenschutz-Regimenter und Anti-Schiffs-Raketensysteme). Die Amerikaner sind der Meinung, die Russen können die US-Marine nur mit Atomwaffen erschrecken.
Moskau hat natürlich die Möglichkeit, Marineoperationen in den Weiten der Weltmeere durchzuführen, aber nur in begrenztem Umfang. Tatsächlich ist die Haltung des Auslands gegenüber der russischen Flotte eher verächtlich als respektvoll. Fast alle westlichen Militärs halten es für ihre Pflicht, die russische Marine zu diskreditieren. „Die rostende und schrumpfende russische Flotte stellt keine ernsthafte Bedrohung für amerikanische und alliierte Marinekonvois auf offener See dar“, sagt der Politologe Bradford Dismukes, der von vielen westlichen Medien, darunter auch von „Forbes“, zitiert wird.
Fakt ist, dass nur die Größe und die Anzahl der Schiffe einer gegnerischen Marine die westlichen Militärs überzeugt. Die gesamte Wasserverdrängung der Flotte der US-Marine beträgt 4,6 Millionen Tonnen, während die der russischen Marine nur 1,2 Millionen Tonnen beträgt. Aber das ist noch nicht alles: Die US-Marine kann etwa 12.000 Offensivraketenauf auf ihren Schiffen installieren, während die russische Flotte über nicht mehr als 3.300 verfügt. Im Vergleich mit den Chinesen schreiben die Amerikaner jedoch: „Ja, die VR China hat die größte Marine der Welt. Aber das ist weniger wichtig, als man denkt. Denn die Kampfkraft der US-Marine wird noch durch die Seestreitkräfte ihrer Verbündeten erhöht“.
Die russische Flotte besteht nach Angaben von NATO-Experten aus 32 großen Überwasserschiffen, darunter ein in ständiger Reparatur befindlicher Flugzeugträger, zwei Schlachtschiffe, ein Kreuzer, 12 Zerstörer und 11 Fregatten. Das Wichtigste und Wertvollste, was die Russen haben, sind 70 U-Boote, darunter die größten der „Typhoon-Klasse“, mit einer Wasserverdrängung, fast wie der eines Flugzeugträgers.
China hat in seinem Marinearsenal zwei Flugzeugträger, einen Kreuzer, 32 Zerstörer, 49 Fregatten, 37 Korvetten und 86 mit Raketen bewaffnete Küstenpatrouillenschiffe. Darüber hinaus besteht die U-Boot-Flotte der VR China aus 46 Diesel-U-Booten, sechs Atom-U-Booten und vier U-Booten mit ballistischen Raketen (Stand April 2021). Insgesamt sind das 56 Unterwassereinheiten.
Die US Navy verfügt über eine mächtige Überwasserflotte von 11 Flugzeugträgern (bald 12, mit der Einführung der „Gerald Ford“), 92 Kreuzern und Zerstörern sowie 59 Fregatten und Patrouillenbooten. Amerikas U-Boot-Flotte besteht aus 50 Angriffs-U-Booten, 14 U-Booten mit ballistischen Raketen und vier Marschflugkörper-U-Booten. Das sind insgesamt 68 Einheiten.
Es ist zu erkennen, dass das Kräfteverhältnis bei Überwasserschiffen eindeutig zu Ungunsten Russlands steht, zumal das Durchschnittsalter der russischen Schiffe zwischen 20 und 25 Jahren liegt. Hier kann die russische Marine auf eine schnelle Modernisierung nicht verzichten. Nach den Maßstäben der USA und Chinas bauen die Russen ihre Schiffe sehr langsam, haben sie sehr lange im Dienst und reparieren und modernisieren sie oft.
Angesichts der Tatsache, dass die Flugzeugträgerarmadas der USA relativ gut vor Luft- und U-Boot-Angriffen geschützt sind, scheinen Russlands Chancen, eine Seeschlacht mit den Vereinigten Staaten zu gewinnen, gegen Null zu gehen. „Aber Krieg ist eine komplexe Sache, unberechenbar und nicht immer von der Anzahl und Größe der Schiffe abhängig. Tatsache ist, dass in der heutigen Zeit, im Zeitalter fortschrittlicher Raketentechnologie, Schiffe nicht unbedingt so wichtig sind wie die Waffen, die sie tragen", sagt der Autor von „19fortyfive“.
Die russische Marine hat zurzeit einen akuten Mangel an Schiffen, die die modernen Raketen oder Marschflugkörper „Kaliber“, „Onyx“ und die Hyperschallraketen „Zirkon“ tragen können. Was die U-Boote betrifft, soll sich das in der nächsten Zeit mit dem Bau der vierten Generation der Atom-U-Boote des Projektes 885 und 885M „Asch“ ändern. Sie sollen die Basis der russischen U-Boot-Flotte werden. Zehn davon werden in Serie gebaut, drei sind bereits fertig und alle sind mit „Kalibr“-Marschflugkörpern und „Onyx“-Schiffsabwehrraketen ausgestattet und können Hyperschall-„Zirkon“-Raketen tragen.
Hinzu kommt, dass vom russischen Almaz-Antey-Konzern ein universeller Schiffsfeuerkomplex 3S14 (UKSK) entwickelt wurde, der nun auch auf den zahlreichen U-Booten der vorherigen Generationen installiert werden kann. Der universelle Feuerkomplex 3S14 ist ein vertikaler Werfer, der in der Lage ist, alle Arten von russischen Marschflugkörpern und Schiffsabwehrraketen sowie die vielversprechenden Überschallraketen gleichzeitig zu starten. Alle neuen russischen Schiffe, auch die Überwasserschiffe, werden sofort mit diesem System ausgestattet.
Laut den Aussagen der US-Militärs müssen die Amerikaner weniger Angst vor der „rostigen russischen Flotte“ oder vor den alten russischen U-Booten haben als vor dem universellen schiffsgestützten Feuerkomplex 3S14. Dieser Komplex kann auf jedem gewöhnlichen Transportschiff, das beispielsweise unter der Flagge eines neutralen Landes fährt, installiert werden und so könnte der brandneue Flugzeugträger „Gerald Ford“ sogar aus nächster Nähe angriffen werden.
Der Kapitän 1. Rang, Autor und Militärexperte der „Freien Presse“ Sergei Ischchenko, verwies bei der Einführung des 3S14 besonders auf die Gefahr für die US-Marine: „Marschflugkörper des Typs Kalibr können prinzipiell auf Containerschiffe gesetzt werden. Und das ist noch gefährlicher als der Einsatz auf Kriegsschiffen. Es mögen Hunderte von Containern auf dem Schiff sein, und wer kann herausfinden, wo sich die „Kalibr“ versteckten?“. Die russische Marine kann gegenüber den größeren und fortschrittlicheren Kriegsschiffen der Vereinigten Staaten im Vorteil sein, wenn sie „Kalibr“ und „Zirkon“ mit dem Komplex 3S14 auf Schiffen platziert, die kein legitimes Ziel der amerikanischen Marine sind.
(Quelle: Sitnikov, A., Swobodnaja Pressa, 28.10.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)
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