Der russische Militärstützpunkt in Armenien
Vor dem Hintergrund der Verschärfung des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan in der armenischen Region Syunik stellte sich die Frage nach dem Schicksal des russischen Armeestützpunktes im armenischen Gjumri. Die Lage an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze verschlechterte sich seit dem 16. November immer mehr. Die aserbaidschanische Armee provozierte mehrere Feuerüberfälle auf armenisches Gebiet. Darunter auch Angriffe auf armenische Grenzposten. Das aserbaidschanische Militär entwaffnete in einer Operation Soldaten der armenischen Streitkräfte und nahm sie gefangen. Jerewan, wie so oft, beschuldigte die aserbaidschanische Seite, dass diese zuerst geschossen hat.
Um die Lage zu stabilisieren, vereinbarten die Präsidenten von Aserbaidschan und Armenien, entsprechend des Vorschlages des Chefs der Europäischen Union, Charles Michel, am 15. Dezember am Rande des Gipfeltreffens „Östliche Partnerschaft“ in Brüssel zusammenzukommen. Das heißt, die EU hat auf einmal beschlossen, in dem langjährigen Streit zwischen den beiden Ländern als Schiedsrichter zu fungieren.
Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass das Programm der EU „Östliche Partnerschaft“, auf die Entwicklung von Verbindungen und Kontakten mit den europäischen Ländern des postsowjetischen Raums – Aserbaidschan, Armenien, Weißrussland, Georgien, Moldawien und Ukraine – abzielt. Die EU versucht, den Einfluss Moskaus in diesen Ländern zu verringern.
Ein Teil der wohlhabenden armenischen Gesellschaft neigt seit langem zu „europäischen Werten“. Unter Premierminister Paschinjan verstärkte sich diese Neigung nach dem Westen und die angeblichen Vertreter des Liberalismus und der Demokratie fordern zunehmend, unterstützt von den USA, die Entfernung des „russischen Stiefels“ aus Armenien. „Man muss genau wissen, wer den Abzug der russischen Armee aus Armenien fordert. Paschinjan wird von einer Handvoll Oppositioneller unterstützt, die eng mit dem Westen verbunden sind. Der Wunsch, den russischen Einfluss loszuwerden, kommt von Regierungsstrukturen, die von den Vereinigten Staaten beeinflusst werden. Russland hat zugesehen, wie antirussische Kräfte in Armenien an die Macht kamen. Und nun muss neu über die Politik Russlands in der Region nachgedacht werden, sonst verliert Russland den Kaukasus“, sagt Semyon Bagdasarov, Direktor des „Zentrums für Studien des Nahen Ostens und Zentralasiens“.
Die Auflösung des Stützpunktes wäre kein Problem für Russland. Diese Basis ist nicht groß. Aber dieser Schritte wäre für Armenien sehr schmerzhaft. Russland würde seine Truppen abziehen und die Unterstützung Armeniens im Rahmen des Vertrags über kollektive Sicherheit einstellen. Das würde dazu führen, dass die aserbaidschanische Armee in die Offensive gehen und die Kontrolle über das gesamte Gebiet von Karabach übernehmen könnte. Außerdem würde Aserbaidschan seine Rechte an der Region Syunik sofort wieder einfordern. Baku verfügt über genügend Kräfte, um dieses Territorium und Karabach zurückzuerobern.
Aber es ist unwahrscheinlich, dass es zum Abzug der russischen Truppen kommt. Viele Armenier verstehen, dass Armenien nur so lange existiert, wie sich die russische Armee dort befindet. Russische Grenzschutzbeamte sichern die Grenze Armeniens zum Iran und besonders zur Türkei. Weder die Amerikaner noch die Franzosen, auf die einige armenische Politiker hoffen, werden dies tun. Politische antirussische Angriffe, einschließlich der Forderung, den Stützpunkt in Gjumri zu schließen, sind schlichte Arroganz, untermauert von falschen Hoffnungen, dass das Land andere zuverlässige Verbündete finden kann.
Seit den 90er Jahren und der Selbstständigkeit Armeniens war es möglich, die russischen Truppen abzuziehen. Aber die meisten Bürger Armeniens und auch die damaligen Politiker waren der Meinung, dass niemand außer Russland sie beschützen wird. Natürlich ist ein Teil der Armenier im Moment beleidigt, dass Russland nicht gemeinsam mit der armenischen Armee gegen Aserbaidschan um Karabach gekämpft hat und in den Verhandlungen auf Initiative Russlands sogar von Armenien besetzte Gebiete an Aserbaidschan zurückgegeben wurden. Aber das ist nicht Russlands Problem. Was Karabach betrifft, so müssen beide Länder ihre territorialen Streitigkeiten endlich selbst lösen.
Russland hat natürlich ein Interesse an Armenien. Russische S-300-Luftverteidi-gungssyteme in Armenien schützen auch auf Grund ihrer Reichweite den russischen Himmel und die russischen Grenzer, die die Grenzen Armeniens bewachen, sorgen somit in einem fremden Land auch für die Sicherheit der russischen Grenzen. Gleichzeitig ist es Moskau absolut klar, dass niemand Armenien zwingt, auf seinem Territorium russische Militärstützpunkte zu dulden. Die Souveränität anderer Staaten wird jedoch nicht immer und überall auf der Welt, besonders durch jene, die am lautesten gegen den russischen Stützpunkt in Armenien schreien, geachtet.
In Okinawa (Japan) gibt es beispielsweise 14 Militärstützpunkte der US-Armee. Die Amerikaner ließen sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Insel nieder und beherrschten sie bis 1972 wie ihr eigenes Territorium. Erst dann gaben sie die Insel der Gerichtsbarkeit Japans zurück. Aber sie blieben weiterhin mit ihren Stützpunkten dort. Und nach entsprechenden Vereinbarungen unterliegen die US-Militärs in Japan nicht der japanischen Gerichtsbarkeit, sondern dem US-Recht. Die Bevölkerung von Okinawa lehnt die Nachbarschaft mit der US-Armee seit Jahren scharf ab. Besonders verunsichert sind sie über die „Futenma-Basis“. Von dort stürzte ein US-Helikopter auf die örtliche Universität ab, dann verloren Hubschrauber Gegenstände, die auf ein Gelände in der Nähe einer Schule stürzten. Die US-Luftwaffe fliegt nicht nur tagsüber, sondern auch nachts im Tiefflug über die Wohngebiete. Etwa 6.000 Straftaten, darunter Mord, Vergewaltigung, Brandstiftung, Diebstahl und Verkauf von illegalen Substanzen wurden bisher von den US-Soldaten auf Okinawa begangen. Am ungeheuerlichsten war die Vergewaltigung eines 12-jährigen Schulmädchens durch drei amerikanische Soldaten. 85.000 Menschen protestierten und forderten die Schließung der amerikanischen Stützpunkte in Okinawa. Aber das Ergebnis war gleich Null. Die übliche Strafe für die drei Yankees war: Sie wurden auf einen anderen Stützpunkt verlegt.
Und was ist mit „Camp Bondsteel“? Eine Militärbasis der US-Armee und der NATO-Verbündeten nahe Ferizaj im Kosovo. Die größte Basis in Europa, so groß wie die gesamte Stadt selbst. „Bondsteel“ ist selbst eine kleine Stadt, die von Sportplätzen bis hin zu Bunkern für den Fall eines Atomschlags alles bietet. Laut Alvaro Gil-Robles, dem ersten Menschenrechtskommissar der EU, ist der Stützpunkt das europäische Pendant zu Guantanamo. Und nach Informationen, die durchsickern, handelt es sich auch um ein Ausbildungszentrum, dessen Absolventen sich in die Riege extremistischer Gruppen einreihen.
(Quelle: Zherdeva, V., Swobodnaja Pressa, 24.11.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)
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