Brennpunkt Tadschikistan

Brennpunkt Tadschikistan

Die Amerikaner verlassen gemeinsam mit den Truppen ihrer Koalitionspartner Afghanistan, das sie seit 2001 zu kontrollieren versuchten. An ihre Stelle treten die Taliban, die hier seit 1994 existieren. Afghanistan hat sich schnell zu einem globalen außenpolitischen Problem entwickelt. In Russland, für das dieses Territorium als „südlicher Unterleib“ gilt, ist es zur Zeit das relevanteste Thema. Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan und Russland fürchten sich nicht nur vor den Drogenströmen aus Afghanistan, sondern vor allem vor dem Eindringen des radikalen Islamismus in ihre Territorien. Möglichkeiten gibt es genug, nicht nur für die Taliban, sondern auch für den IS, der bereits aus Syrien nach Afghanistan eingedrungen ist. Russland braucht eine Art Pufferzone. Bisher hat es nur eine Möglichkeit des Schutzes: Das ist die russische 201. Militärbasis in Tadschikistan.

Zur Basis gehören etwa 15.000 Mann, die mit 300 Panzerfahrzeugen im Einsatz sind, darunter etwa hundert modernisierte T-72B1 sowie neue Schützenpanzer BMP-2 und Schützenpanzer BTR-82A. Die Truppe verfügt auch über S-300PS-Flugabwehr-Raketensysteme, Anti-Drohnen-Mittel der Silok-Serie, Funkstörsysteme Pole-21, ein Bataillon mit Drohnen Orlan-10, Eleron-3 und Tachyo. Die Basis ist zusätzlich zu der Artilleriebewaffnung mit Raketenwerfern Uragan, Kaliber 220 mm, ausgestattet. Tatsächlich handelt es sich um eine Division, die schon im Afghanistan eingesetzt wurde, von wo sie 1989 nach Tadschikistan abgezogen wurde. Heute ist es eine vollwertige, neu bewaffnete und modernisierte Division. Die Struktur der 201. Basis ist kampfstark genug, um beispielsweise einer vollwertigen Division eines Gegners in der Verteidigung standzuhalten. Dass gilt sowohl am Boden als auch in der Luft. Neben einer eigenen Fliegergruppe, bestehend aus modernen Modifikationen der Transport- und Kampfhubschrauber Mi-8MTV5-1, können vom Stützpunkt Kant in Kirgistan aus Su-25-Frontbomber zur Unterstützung eingesetzt werden, bei Bedarf auch Tu-160 und Tu-22 vom Territorium Russlands aus.

Eine offene Bedrohung sind die Taliban, die jetzt aktiv die Macht in Afghanistan übernehmen und nach dem Abzug der Amerikaner bereits 85 Prozent des Landes kontrollieren. Die Taliban stehen bisher nur an der Grenze. Ein frontaler Angriff ist unwahrscheinlich, denn sie müssen sich selbst in Afghanistan erst einmal etablieren. Aber nachdem sie bereits im Norden des Landes die Macht übernommen haben, dringen sie lautlos einzeln oder in kleinen Gruppen in benachbartes Gebiet ein. Und es gibt dort niemanden, der sie zurückhalten kann. Die Armee von Tadschikistan ist gelähmt und seine Grenztruppen haben keine besondere Grenzkontrolle. Und Soldaten der russischen 201. Militärbasis befinden sich nicht an der Grenze. Russische Einheiten und Untereinheiten sind hauptsächlich in der Hauptstadt der Republik, in Duschanbe, stationiert. Ein weiteres Regiment befindet sich in der Stadt Bokhtar (ehemals Kurgan-Tyube). Die Aktivitäten der russischen Grenzschutzbeamten zur Bewachung der tadschikischen Grenze wurden im Juli 2005 vollständig eingestellt. Die russischen Grenzschutzbeamten wurden damals abgezogen und der Grenzschutz wurde ihren tadschikischen Kollegen überlassen. Die waren und sind nicht besonders eifrig und die Bewegung von Personen über die Grenze ist heute ziemlich frei. Im Allgemeinen gibt es keinen sinnvollen Grenzschutz mehr.

Die Division des 201. Stützpunktes nimmt regelmäßig an Übungen aller Art teil, auch im Rahmen der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (ODKB), wie zum Beispiel an den jährlichen Übungen „Unzerstörbare Bruderschaft“. Die Division ist jedoch nicht in der Lage, Tadschikistan vor einer möglichen Invasion aus Afghanistan zu schützen. Sie kann sich natürlich in Duschanbe oder in Bokhtar „eingraben“, wo sich ihre wichtigsten Kräfte und Mittel befinden, aber es ist weit hergeholt, von einer Kontrolle über das gesamte Territorium Tadschikistans zu sprechen. Khorog, Kulyab, Pyanj und andere Regionen der Republik sind einer möglichen Invasion praktisch schutzlos ausgeliefert. Und Duschanbe im Falle eines Angriffs zu verteidigen, wäre wie der Kampf um die Festung Brest im Jahr 1941, wo keine Hilfe zu erwarten war.

Die Taliban schickten eine Delegation nach Moskau und versicherten, dass sie keine aggressiven Aktionen gegen Nachbarländer, einschließlich Russland, zulassen würden. Russland hat aber keine gemeinsame Grenze mit Afghanistan, also ging es höchstwahrscheinlich um das Territorium Tadschikistans, wo sich die russische 201. Militärbasis befindet. Wie sich herausstellt, kann man mit den Taliban verhandeln. Aber hier gibt es ein Problem: Die Taliban sind nicht die einzige Kraft in Afghanistan, die in der Lage ist, die Situation im Land vollständig zu kontrollieren. Es gibt auch noch den IS, der aus Syrien und dem Irak dorthin kam und in der Lage ist, die Taliban zu vertreiben. Afghanistan wollen sie als Plattform nutzen, um in muslimische Nachbarländer, einschließlich Tadschikistan, vorzudringen. Dagegen wird die russische Militärbasis wenig ausrichten können.

Woher kommt der angeblich „besiegte“ IS, der aus mindestens acht Millionen Menschen bestand, von denen allein in Syrien nach verschiedenen Schätzungen 80.000 bis 200.000 „aktive Bajonette“ kämpften? Trotz der erfolgreichen „punktgenauen“ Angriffe der russischen Luftwaffe wurde der größte Teil des Territoriums in Syrien vom IS erobert. Und nun sind sie bis auf eine Minderheit aus Syrien plötzlich weg. Ihre Präsenz scheint überhaupt nicht mehr in Betracht gezogen zu werden. Haben sie sich aufgelöst? „Wie jede nationalistische Bewegung, und der Islamische Staat kann als solche angesehen werden, ist es fast unmöglich, gegen seine Ideologie zu gewinnen, und viele Staaten haben sich damit abgefunden “, sagt der Politologe Alexander Zimovsky.

Erinnern wir uns an den „Banderaismus“ in der Westukraine, der nach dem 2. Weltkrieg innerhalb von zehn Jahren von der Polizei und der Staatssicherheit scheinbar beseitigt wurde. Banderas Leute verloren die Unterstützung der lokalen Bevölkerung, gingen in den Untergrund, viele wanderten aus, aber die Ideologie blieb bestehen. Ähnlich verhält es sich jetzt mit dem IS, der nicht vernichtet wurde, sondern nur seinen Einsatzort verlegt hat. Nicht die Taliban sind es, die jetzt eine echte Bedrohung nicht nur für Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan, sondern auch für Russland darstellen. Und hier wird, wie es scheint, ein viel mächtigeres Potenzial für die Konfrontation benötigt als das der 201. russischen Militärbasis.

IS-Anhänger sind inzwischen in Länder Asiens, Afrikas, des Nahen Ostens und Europas „ausgewandert“. Die „Neuankömmlinge“ kehrten in die Länder zurück, aus denen der Hauptzustrom von „Freiwilligen“ nach Syrien kam, auch aus Frankreich, Deutschland und Russland. Von den rund 25.000 Einwanderern aus den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken in Moskau besitzen etwa 1.500 gefälschte russische Pässe. Allein nach den in Russland vorhandenen „Schläferzellen“ des IS, nach den regelmäßigen Berichten des FSB über inhaftierte Anwerber und „Finanziers“ des Islamischen Staates zu urteilen, könnte es mehr als tausend Dschihadisten allein in Moskau geben.

Quelle: Sokirko, V., Swobodnaja Pressa (redaktionell bearbeitete Übersetzung)

von Redaktion (Kommentare: 0)

Zurück

Einen Kommentar schreiben